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Else Lasker-Schüler und der Film

»Am liebsten ging ich mit Else Lasker-Schüler ins Kino, weil sie erwartungsvoll wie ein Kind war und zugleich der feinste Kritiker. ›Wir bekennen uns zum Stamme der Kinoniter!‹, sagte sie, und wir waren jeder mit einem Viertelpfund Marzipankartoffeln bewaffnet. Kam etwas Gutes, so stupste sie mit dem Ellbogen und machte vielsagend ›Mmm …!‹, wobei sie einen mit den wundervollen schwarzen Augen anblickte.« (Sigismund von Radecki: Filmfetzen und Filmmöglichkeiten. In: Neue Zürcher Zeitung. Jg. 168, Nr. 1631 [Sonntagausgabe] vom 24. August 1947, Blatt 3 [»Das Wochenende«]; S. v. R: Vom Kintopp zum Kulturfilm. In: Glanz [München]. H. 1 [1949]. S. 46 f.)

»Sie liebte ins Kino zu gehen. Das war ihr eine Beruhigung: ›Man sitzt so still da mit einem Viertelpfund Marzipankartoffeln und läßt alles an sich vorüberziehn …‹ Es gab Tage, wo sie dreimal das Kino besuchte. Sie sagte von uns beiden: ›Wir bekennen uns zum Stamme der Kinoniter für und für.‹ Wenn ihr etwas gefiel, gab sie mir heimlich einen Rippenstoß, schaute mich mit großen Augen an und machte: ›m-m-m.‹« (Sigismund von Radecki: Erinnerungen an Else Lasker-Schüler [1950]. In: Else Lasker-Schüler: Dichtungen und Dokumente. Gedichte, Prosa, Schauspiele, Briefe, Zeugnis und Erinnerung. Ausgewählt und hg. von Ernst Ginsberg. München: Kösel-Verlag, 1951. S. 575–582, Zitat S. 581 f.)

KA Texte von Else Lasker-Schüler werden nach der »Kritischen Ausgabe« (KA) der »Werke und Briefe« zitiert: Im Auftrag des Franz Rosenzweig-Zentrums der Hebräischen Universität Jerusalem, der Bergischen Universität Wuppertal und des Deutschen Literaturarchivs Marbach am Neckar hg. von Andreas B. Kilcher [ab Bd. 9], Norbert Oellers, Heinz Rölleke und Itta Shedletzky. Bd. 1–10. Frankfurt am Main; Bd. 11. Berlin: Jüdischer Verlag im Suhrkamp Verlag, 1996–2010.

Aktualisiert: 12. April 2022

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Berlin

20. Januar 1912 (Samstag) • Else Lasker-Schüler schreibt in den »Briefen nach Norwegen«, die in Fortsetzungen im »Sturm« erscheinen: »Lieber Herwarth, Paulchen will endgültig nicht mehr in den Kino gehen, er hätt die Nacht nicht schlafen können, ein Mensch sei irrsinnig im Stück gewesen und kein Junge will mehr hingehen. Die Unglücke sehe er ja sonst gern. Er war noch ganz erregt am Morgen und erzählte mir folgendes: Es war ein Mann der hieß Marius der hatte eine Braut bekommen beim Tanzen und da schrieb die Braut dem Marius ein helles Fenster sollt ihm in der Nacht zeigen wo sie wär. Im selben Haus war ein Hotel, das Haus war ein Hotel überhaupt davor ein Irrenhaus für die Geisteskranken von Doktor Russel wo die Leute mit Strahlen geheilt werden von Doktor Russel. Herr Marius hatte sich in der Dunkelheit verirrt und ging in das Irrenhaus in eine Zelle. Da kommt plötzlich mit dem Auto ein Geisteskranker her und er wird von einem Diener durch Strahlen zum Schlafen gebracht und schläft. Da wird er wieder wach und wollte aus dem Fenster flattern aber sinkt vors Bett und auf einmal kommt Marius rein sieht den irren Mann und sofort vor lauter Angst hinter die Wand aber der Geisteskranke packt ihn an die Kehle und würgt ihn fast ganz tot aber nicht ganz tot auf einmal hört das ein Wärter der nachts rumgeht macht die Tür auf und man kann da plötzlich reinsehn in Doktor Russel sein Zimmer der sitzt mit Marius seiner Braut auf dem Bett und poussiert.« (Jg. 2, Nr. 94 vom [20.] Januar 1912. S. 751 f.; KA, Bd. 3.1: Prosa. 1903–1920. Bearbeitet von Ricarda Dick. Frankfurt am Main 1998. S. 236 f.) Es handelt sich um den amerikanischen Film »The Maniac« (»Der Irrsinnige«), 1911 von Siegmund Lubin produziert.

13. Mai 1912 (Montag) • Else Lasker-Schüler schreibt an Karl Kraus: »Ich werde vielleicht bald für den Kino schreiben, es kümmern sich jetzt mehrere Menschen hier für mich – gewiß weil Sie Sich so viel gekümmert haben in der Fackel um mich.« (KA, Bd. 6: Briefe. 1893–1913. Bearbeitet von Ulrike Marquardt. Frankfurt am Main 2003. S. 229.)

7. Oktober 1912 (Montag) • Telegramm an Paul Geheeb: »habe Aufsatz geschrieben wunderschön Kino gesprochen nur den Loewen nicht« (KA, Bd. 11: Briefe. 1941–1945. Nachträge. Bearbeitet von Karl Jürgen Skrodzki und Andreas B. Kilcher. Berlin 2010. S. 387).

Spätsommer 1913 • Mit der Jahreszahl 1914 erscheint »Das Kinobuch. Kinodramen von Bermann, Hasenclever, Langer, Lasker-Schüler, Keller, Asenijeff, Brod, Pinthus, Jolowicz, Ehrenstein, Pick, Rubiner, Zech, Höllriegel, Lautensack. Einleitung von Kurt Pinthus und ein Brief von Franz Blei« (Leipzig: Kurt Wolff Verlag), darin von Else Lasker-Schüler die Skizze »Plumm-Pascha. Morgenländische Komödie« (S. 37–41; KA, Bd. 3.1. S. 368–371). – Am 24. Mai 1913 hatte Else Lasker-Schüler an Franz und Maria Marc geschrieben: »Ich will jetzt sehn Film zu schreiben und zu spielen. Ein Bekannter will mitspielen – dann gehts ja.« (KA, Bd. 6. S. 334.) Erneut am 30. Mai: »Ich schreib Filmsachen – frißt Mark aus den Knochen diese Banalität!« (S. 337.) Im »Offenen Brief an Finanzminister a. D. Dr. Reinholdt«, der am 29. Mai 1927 im »Berliner Börsen-Courier« (Jg. 59, Nr. 247 [Morgen-Ausgabe], 2. Beilage. S. 9) erschien, charakterisiert sie »Plumm-Pascha« als »Filmdrama« (KA, Bd. 4.1: Prosa. 1921–1945. Nachgelassene Schriften. Bearbeitet von Karl Jürgen Skrodzki und Itta Shedletzky. Frankfurt am Main 2001. S. 140).

Herbst 1913 • In einem undatierten Brief schreibt Else Lasker-Schüler an Georg Koch: »Wir sind abends heute Café Jostymorgen Sonntag um punkt 5 Uhr vor dem Kino neben Café Westen wie vorrigen Sonntag.« (KA, Bd. 6. S. 282.) Das Café des Westens war 1893 im Erdgeschoß des Hauses Kurfürstendamm 18–19, Ecke Joachimstaler Straße, eröffnet worden. Bis 1898 hieß es zunächst Kleines Café. Im Herbst 1913 eröffnete der Inhaber Ernst Pauly ein neues Café des Westens am Kurfürstendamm 26 im Union-Palast, einem der ersten reinen Lichtspielhäuser in Berlin. Das Café befand sich unter dem Kinosaal, der Eingangsbereich des Kinos lag neben dem Café.

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Zürich

17. Februar 1918 (Sonntag) • An Max Gubler: »Lieber Hirte, ich muß Montag wahrscheinlich nach Bern bis Mittwoch nun habe ich zwei Kinobiletts für heute. Wenn Sie auch gern ins Kino gehen wie ich, so wollen wir hinein gehen.« (KA, Bd. 7: Briefe. 1914–1924. Bearbeitet von Karl Jürgen Skrodzki. Frankfurt am Main 2004. S. 150.) Am 17. Februar spielte das Kino Orient (am Bahnhof) Alexander von Antalffys und Paul Lenis Spielfilm »Das Rätsel von Bangalor«, das Kino Zürcherhof (am Bellevueplatz) Enrico Guazzonis Spielfilm »Quo Vadis?«. Ferner wurde in den Eden-Lichtspielen (am Rennweg) »Der Toreador« (»Ein Meisterwerk der Filmkunst mit der berühmtesten Carmen-Darstellerin Spaniens in der Hauptrolle«) gezeigt, im Kino Central (in der Weinbergstraße) der Film »Die geheimnisvollen Spuren« (»Großer Kriminalroman in 5 Akten«, »Ein hervorragendes Meisterwerk nordischer Filmkunst«) und in Speck’s Palast Theater (Palace) (im Kaspar-Escher-Haus) »Das Mädel vom Mars« (»Großes Filmwerk mit höchst lehrreichen Industrieaufnahmen«).

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Berlin

15. Januar 1920 (Donnerstag) • Else Lasker-Schüler schreibt an Siegfried Caro: »Nun wird Paul filmen oder decorativ beschäftigt werden denn es hat sich ausgeschnarchet bis 1 Uhr täglich und muß nun verdienen. Und beim Film, er will durchaus spielen wird er sofort enorm verdienen […]. Er hat die ersten Verbindungen, auch ist Baron Maltzahn, der unser beider bester Freund ist, mit Paul zu Wegener gegangen etc etc: Paul der schöne von Theben. […] Hüne, ich bitte Dich, da ichs machen kann, spiele auch Film. Du wirst direkt berühmt mit Deinem Talent und verdienst enorm: zuerst 200 Mk am Tag. Später 1000 bis 2000 Mk am Tag. Fast unglaublich, aber es ist so. Ich habe große Verbindungen. Ich spiele auch. Ich glaube Dein Vater hätte nichts dagegen, die erstklassigen Menschen spielen wie auch Herr Heinrich von Twardowsky. Ihr habt beide in 3–4 Jahren keine Sorgen mehr. Aber lass Paul erst mal spielen dann wird er alles tun Dich ebenfalls anzubringen, auch ich. In diesen Tagen spreche ich mit Lubitsch. Paul bekommt sofort sehr gute Rolle.« (KA, Bd. 7. S. 175 f.)

Mitte Januar 1920 • An Georg Heinrich Meyer: »Mein Paul am Lubitschfilm: Zeichner Gottseidank seit vorgestern.« (KA, Bd. 7. S. 177.)

24. Februar 1920 (Dienstag) • Else Lasker-Schüler an Unbekannt: »Ich habe schon ähnliche Angebote bekommen. In der Tribüne mich zu filmen, wäre mir recht. Der Mit und Nachwelt gedenke ich weniger zu geben wie mir und da müssen Sie mich schon bis 11 Uhr morgen Mittwoch vormittag benachrichtigen über Näheres. […] Ich habe mit Herrn Oberregisseur Berger gestern gesprochen über etw. Film, der für die Gesellschaft und für mich von Nutzen wäre.« (KA, Bd. 7. S. 180.)

Anfang November 1920 • An Walter Gropius in Weimar: »Gerne kommt Jussuf wieder gerne, spricht auch gerne, aber zum Geschenk. Wohne dann Kronprinzenhôtel und bei Tage gehen wir alle spazieren und abends ins Kino von dort Conditoreien.« (KA, Bd. 7. S. 201.)

15. Juni 1921 (Mittwoch) • An Reinhold Stahl: »Ich gehe dieser Tage wieder zu Dirkt. Barnowsky, der die vielen Theater Filmtheater etc. bald leiten wird. Sehe, daß mein Paulchen, Sie, Hüne Caro, Herr Ludwig und ein paar passende junge Mädchen dort richtige Stellungen bekommen.« (KA, Bd. 11. S. 419.)

22. August 1921 (Montag) • Aus Kolberg an die Nichten Edda und Erika Lindner in Berlin: »Geht ja am 24. Kino mit Paul und Hans Ludwig, Berty etc.« (KA, Bd. 11. S. 420.) Am 24. August war der 22. Geburtstag von Paul Lasker-Schüler.

12. Dezember 1921 (Montag) • Else Lasker-Schüler schreibt an Karl Kraus: »Ich selbst gehe selbst an meinem Vortragabend lieber ehrlich gesagt ins Kino.« (KA, Bd. 7. S. 231.)

3. April 1922 (Montag) • Else Lasker-Schüler schreibt an Karl Arnold: »Mein Paul wird in den Lubitschfilm am Zoo engagiert dort Herrn Stern helfen überhaupt zeichnen und decorieren etc helfen. […] Ich bitte Sie herzlich Herrn Direktor Rudolf Kurtz, bitte, lieber Karl Arnold, zu schreiben, was sie von Paul menschlich (er ist ein guter lieber Junge, der fleißig ist,) und namentlich zeichnerisch halten.« (KA, Bd. 7. S. 239 f.)

3. August 1922 (Donnerstag) • Aus Kolberg an Reinhold Stahl in Berlin: »Auch möchte ich Ihnen Gutes tun. Ich komme bald einige Tage und spreche für Sie mit Efa, da ich dort die Herren kenne.« (KA, Bd. 11. S. 421.) »Efa« ist die Abkürzung für Europäische Film-Allianz, eine 1921 in Berlin gegründete Produktions- und Verleihfirma.

4. November 1922 (Samstag) • An Klaus Gebhard: »Paul und ich waren heute Abend im Kino und da vertragen wir uns, sind einer Meinung. […] Der Tierfilm großartig in Düsseldorf.« (KA, Bd. 7. S. 250.)

27. Juli 1923 (Freitag) • Aus Kolberg an Isidor Landau in Berlin: »Hätten Sie doch für meinen Sohn 23 Jahre alt Zeichner (auch Plakate) eine Stellung oder als Filmspieler mal 2 Jahre.« (KA, Bd. 7. S. 268.)

Vermutlich 1. Oktoberhälfte 1923 • An Klaus Gebhard und Carl Krall, die Else Lasker-Schüler in Berlin besuchen: »Es war sehr schön, aber mir ist es Ehrenwort jetzt viel besser, ich bleibe zu Hause oder geh für mich klein still Kino.« (KA, Bd. 7. S. 275.)

20. Oktober 1923 (Samstag) • An Klaus Gebhard: »Ich bin so angestrengt, die Kinos laufen mir fort.« (KA, Bd. 7. S. 277.)

17. Dezember 1923 (Montag) • An Karl Kraus: »Ich noch mein Junge hatten genug zu leben, er gab sich alle Mühe, wurde apatisch, er ist ja auch noch so furchtbar knabenhaft seelisch und körperlich. Kam ich für ihn irgend zu einer Plakatfabrik oder Film, sagte man mir zu, er wurde aber den anderen Tag nicht empfangen.« (KA, Bd. 7. S. 281.)

24. Dezember 1923 (Montag) • An Klaus Gebhard: »Filme hier: Herrliche.« (KA, Bd. 7. S. 286.)

18. Januar 1924 (Freitag) • An Klaus Gebhard: »Wie sind die Kinos jetzt Elberfeld. Hier herrrrlich Dinge.« (KA, Bd. 7. S. 290.)

21. Januar 1924 (Montag) • Im Mozartsaal am Nollendorfplatz findet die Erstaufführung von »Der Raub der Helena« statt, dem ersten Teil von Manfred Noas Monumentalfilm »Helena«. Die Erstaufführung des zweiten Teils mit dem Titel »Der Untergang Trojas« erfolgt am 4. Februar. In ihrem Gedicht »Sigismund von Radecki«, das am 11. Juli 1924 im »Berliner Tageblatt« (Jg. 53, Nr. 326 [Morgen-Ausgabe]) erscheint, schreibt Else Lasker-Schüler: »Und wir bekennen uns zu Kinonitern Schulter an Schulter, / Ausgerüstet mit Fruchtbonbons, begeistert ziehen wir in manchen blutigen Film. // Von Schweden Svenska hin nach Troja I., II. Teil, wo der Achill / Mit den unnahbaren Händen dem Patroklos schrecklich Opfer bringt.« (KA, Bd. 1.1: Gedichte. Bearbeitet von Karl Jürgen Skrodzki unter Mitarbeit von Norbert Oellers. Frankfurt am Main 1996. S. 231.)

11. Juli 1924 (Freitag) • Im »Berliner Tageblatt« (Jg. 53, Nr. 326 [Morgen-Ausgabe]) erscheint das Gedicht »Sigismund von Radecki«, in dem Else Lasker-Schüler ihre Bewunderung für Charlie Chaplin zum Ausdruck bringt: »Auch Chaplin spielt im Mozartsaal; wie wir den hoch verehren! / Zwischen Dumier und Christian Morgenstern sitzt er im Tempel: Kunst. // Und wir verkürzen uns den Abendrest, / Indem wir Reime reimen auf Chaplin, den Kosmiker der Komiker.« (KA, Bd. 1.1. S. 231.) – Die deutsche Erstaufführung von »The Kid«, Chaplins in den Jahren bis 1923 erfolgreichstem Film, hatte am 9. November 1923 parallel im Tauentzienpalast und im Ufa-Theater Nollendorfplatz stattgefunden. In seinen Erinnerungen an Else Lasker-Schüler schreibt Abraham Nochem Stenzel: »Das Wort ›fabelhaft‹, das in dem kurzen Telefongespräch sicher ungefähr zehnmal gefallen ist, und das jedes Mal rührender klang, habe ich überhaupt nicht verstanden. Was ich verstanden habe, war, daß es im Theater am Nollendorf Platz eine Erstaufführung von einem Charlie-Chaplin-Film gab. Ich müsse den Film unbedingt sehen. ›Er ist fabelhaft!‹ […] / Als wir vom Chaplin-Film herausgekommen sind, haben wir kaum Zeit gehabt, eine Tasse Kaffee zu trinken, und sofort in ein anderes Kino hinein, wo ein zweiter Chaplin-Film läuft.« (Zitiert nach Heather Valencia: Else Lasker-Schüler und Abraham Nochem Stenzel. Eine unbekannte Freundschaft. Mit jiddischen und deutschen Texten aus dem Elisabeth-Wöhler-Nachlaß [Campus Judaica. Bd. 5]. Frankfurt am Main und New York 1995. S. 86 f. – Stenzels Erinnerungen sind ursprünglich im Juli 1968 in der von ihm herausgegebenen jiddischen Zeitschrift »Loschn un Lebn« [»Sprache und Leben«] erschienen.)

August 1924 • Im Mozartsaal am Nollendorfplatz findet vor geladenen Gästen die deutsche Erstaufführung von Mauritz Stillers Film »Gösta Berling« (»Gösta Berlings Saga«) nach dem gleichnamigen Roman von Selma Lagerlöf statt. Die Titelrolle spielt Lars Hanson. Auf »Gösta Berling« dürfte Else Lasker-Schüler bereits in ihrem am 11. Juli 1924 publizierten Gedicht »Sigismund von Radecki« anspielen, in dem sie schreibt: »Von Schweden Svenska hin nach Troja I., II. Teil«. Über ihren Sohn Paul berichtet sie in der Würdigung »Mein Junge«: »Die schwedischen Filme entzückten ihn sehr. Wenn wir uns gestritten hatten, das war sicher: abends saßen wir nebeneinander im Kino erwartungsvoll.« (Uhu [Berlin]. Jg. 5, H. 9 vom Juni 1929. S. 73–77; KA, Bd. 4.1. S. 177.) In dem Aufsatz »Günther Birkenfeld«, der am 19. Januar 1930 im »Vorwärts« (Berlin) (Jg. 47, Nr. 31 [Morgenausgabe], [Beilage:] Blick in die Bücherwelt Nr. 1) erschienen ist, heißt es: »Es ist der Schwede in Berlin, von dem diese kleine Geschichte handelt, Lars Hansens Bruder aus dem Swenska-Film.« (KA, Bd. 4.1. S. 190.) – Über die Verfilmung von Selma Lagerlöfs Roman berichtet der Rezensent der »Vossischen Zeitung«: »[… ] Dies mächtige Werk zu verfilmen unternahm der beste Regisseur der Schweden, Mauritz Stiller, dem wir die ausgezeichnetsten, in ihrer Einheit unübertrefflichen Filme seiner nordischen Heimat verdanken. Er hat die Motive zusammengedrängt, verschoben, den Gang der Ereignisse umgewandelt, weil literarische Werke niemals im Film mit den Akzenten wirken können, die uns beim Lesen berauschen, weil die Phantastik des Romans vom stummen Lichtbild nicht dargestellt werden kann. Dadurch ist die Handlung trotz aller Feinheiten im einzelnen vergröbert, die Figuren sind in ihrer ganzen Eigenart nicht mehr so einheitlich zusammengehalten wie im Roman. Die letzten Feinheiten der Dichtung, die uns zu tiefstem Mitempfinden und zu stärkstem Grausen packen, mußten leiden. Trotzdem – auf den, der das Werk der schwedischen Dichterin nicht kennt, wirken auch in dieser Fassung die ungeheuren Erlebnisse hinreißend. Übersehen wurden die Schwächen, Titel, die in ihrer Fassung so gar nicht ans Künstlerische reichen, Szeneneinzelheiten, die ein wenig an das Banale rühren. Gerade das, was die anderen Filme Stillers auszeichnet, die Einbeziehung, ja die ungeheure Wucht der Betonung der Landschaft fehlte, wenn auch Szenen wie die Wolfsjagd auf den Schlitten oder die Fahrt durch den Schneewald an die Dramatik von ›Herrn Arnes Schatz‹, den bedeutendsten Film Stillers, erinnerten. / Die Schauspieler, an der Spitze Lars Hanson als Gösta Berling, der mit seinen tiefen, sieghaften Augen und seiner prachtvollen Gestalt die Szene beherrschte und Gerda Lundequist-Dahlström, die bedeutendste Tragödin Schwedens, die die Majorin darstellte, waren über jedes Lob erhaben. Die Szene zwischen ihr und ihrer Mutter (Hilda Forslund) ist vielleicht der Höhepunkt des ganzen großen Films an Innerlichkeit und Erhabenheit. Und die anderen alle, Jenny Hasselquist, Ellen Cederström, Mona Martenson, Greta Garbo, die die Frauen, Sven Scholander, Svend Kornbaeck, Torsten Hammarén und alle die anderen, die die Männer verkörperten, sie ließen uns völlig vergessen, daß sie Schauspieler sind, sie machten uns in ihrer ›reinen Menschlichkeit‹ auch das Unglaubhafte glaubhaft, das Unbegreifliche begreiflich. / Technisch hat Stiller viel von den Amerikanern gelernt, auch die weichen Großaufnahmen, die an den wirksamsten Stellen eingesetzt sind; die Massendarstellungen, die fabelhaften Brandszenen standen auf der Höhe der Anforderungen, die man an einen so hervorragenden Film stellen kann. / So ist der Film ein Kunstwerk für sich und nur an sich zu beurteilen, nicht mit dem Roman in Vergleich zu setzen. Sein Erfolg war denn auch groß, und Stiller selbst konnte neben den Hauptdarstellerinnen, die persönlich erschienen waren, die begeisterten Huldigungen des Publikums entgegennehmen.« (Ili: Der Gösta-Berling-Film. Uraufführung im Mozartsaal. In: Vossische Zeitung [Berlin]. Nr. 396 [Morgen-Ausgabe] vom 21. August 1924, 1. Beilage.) Den Besuch der Darsteller in Berlin schildert Fred Hildenbrandt im »Berliner Tageblatt«. Einleitend schreibt er: »Auf ihren alten Schlitten waren sie aus der Ewigkeit gekommen. Am Abend standen sie nach der Premiere am Mozart-Saal, am Nollendorfplatz, hast du sie miteinander fuchteln und murren gesehen? Zähle sie, es ist keiner fortgeblieben, alle zwölf sind gekommen. Der gewaltige Oberst Beerencreutz, der große Bärenjäger Anders Fuchs, der Tambour Ruster, der alte, eitle Fähnrich Örneclou, der starke Hauptmann Christian Bergh, der runde Patron Julius, der deutsche Recke Kevenhüller, der tolle Vetter Kristoffer, der sanfte Onkel Eberhard, der fromme Lövenborg, der große Musiker Liljecrona und Gösta Berling, Gösta Berling, der stärkste und der schwächste aller Menschen. / So standen sie abseits, die Kavaliere von Ekeby, und knurrten und wischten sich den Schweiß von den erhitzten Stirnen, vier Stunden in der Fremdenloge, das war selbst für Kavaliere zuviel. ›Wir dürfen uns das nicht gefallen lassen‹, schrie der starke Christian Bergh. ›Kavaliere‹, rief der Deutsche Kevenhüller, ›Kavaliere! Ich telegraphiere unserer geliebten Mutter nach Schweden. Vielgeliebte, herrliche Selma Lagerlöf, werde ich telegraphieren, die in Berlin vollzählig versammelten, aus der Ewigkeit zu ihrer Filmpremiere beurlaubten Kavaliere protestieren – –‹ / ›Wir dürfen hier nicht lärmen, ihr Herren von Ekeby‹, unterbrach ihn Gösta Berling, er war bleich, verstimmt und sehr gereizt, ›der Nollendorfplatz liegt nicht in Wermland.‹ Er zog einen Zettel aus der Tasche und las laut: ›Kommt Ihr nach Berlin, geht zu Lutter und Wegener. Hoffmann, Kammergerichtsrat.‹ / Die Kavaliere sitzen stumm um den Tisch im Winkel, der Tisch starrt von Flaschen, und sie trinken zunächst ein Glas um das andere und jeder schaut verlegen am andern vorbei. Beerencreutz liegt mit beiden Armen über dem Programmheft des Films und flucht leise vor sich hin, Gösta Berling sieht ihm über die Schulter und sagt: ›Greta Garbo heißt sie, Greta Garbo, Greta Garbo.‹ Und er sieht nicht unfreundlich dabei aus. Dann aber leert er sein Glas, schüttelt das Haar aus der Stirn und springt auf.« (Fred Hildenbrandt: Gösta Berling in Berlin. Filmpremiere im Mozartsaal am Nollendorfplatz. In: Berliner Tageblatt. Jg. 53, Nr. 395 [Abend-Ausgabe] vom 20. August 1924.)

21. Oktober 1924 (Dienstag) • Im »Berliner Tageblatt« (Jg. 53, Nr. 500 [Morgen-Expreß-Ausgabe]) erscheint die Erzählung »Renate und der Erzengel Gabriel«: »Vor einem Kinotheater rastete sie, um neun Uhr begann die letzte Vorstellung, ihre blauen Augen hafteten, ja sie klebten an einem der Plakate, das eine Gauklertruppe darstellte, sie war ja auch auf dem großen Bogen gemalt, die triumphierende Himmelskönigin, mit einer leuchtenden Kugel in der Hand stand sie ja über dem Dom auf dem Seile unter allen Sternen und winkte den Zuschauern freundlich zu.« (KA, Bd. 4.1. S. 40 f.)

10. Dezember 1924 (Mittwoch) • Else Lasker-Schüler schreibt an Arthur Schnitzler: »Ich bitte Sie mir die Freude zu machen, Herr Doktor, und es wäre so schön mein Junge und seine Freunde würden mal wo eingeladen in Familien, alle drei, entzückende Bengels. Als wir noch in Berlin waren, gingen wir oft zusammen ins Kino, mein Sanatorium.« (KA, Bd. 7. S. 316.)

29. Dezember 1924 (Montag) • An Reinhold Stahl: »Primuspalast: Jannings nie dagewesen« (KA, Bd. 11. S. 432). Am 22. Dezember 1924 hatte im Primuspalast die Berliner Erstaufführung des italienischen Monumentalstummfilms »Quo Vadis?« (1924) stattgefunden, in dem Emil Jannings die Rolle des Kaisers Nero spielt. – Ernst Blass bespricht den Film im »Berliner Tageblatt«: »Vor einem festlich geschmückten Publikum, dessen Stimmung durch die Anwesenheit einiger Würdenträger noch besonders freudig gehoben wurde, lief gestern im Primuspalast zum erstenmal der Kolossalfilm ›Quo vadis‹, den die Unione Cinematographica Italiana in Rom hergestellt hat. Das Manuskript ist von den Regisseuren Georg Jacoby und Gabrielino d’Annunzio nach dem Roman des Polen Sienkiewicz eingerichtet. Der Film ist ein Massenspektakel, das nicht sonderlich bewegt, aber auch nicht langweilt, und hat den Vorteil, den bei anderer Gelegenheit eine Filmannonce folgendermaßen bezeichnete: ›Dieser Film erspart dem Zuschauer die zeitraubende Lektüre des unvergleichlichen Romans.‹ / Das Rom Neros ist hier aufgebaut ungefähr im Stil unserer Nationalgalerie, und die auftretenden Römer machen den Eindruck außerordentlich später Römer. Sie könnten etwa sagen: in kino veritas! / Die Hauptpunkte der Handlung sind: Nero, von Jannings verkörpert, läßt die Muränen seines Teichs mit dem Fleisch von Sklaven füttern; ein großes Gelage mit Notzuchtversuchen an der Christin Lygia; Auspeitschung der Sklavin Eunica; der Brand Roms und die Christenverfolgung; die lebenden Fackeln in den kaiserlichen Gärten; die Märtyrer im Zirkus mit den Löwen, eine junge Mutter vor den Augen ihres Kindes von einem rasenden Wagen durch die Arena geschleift, Lygia auf dem Rücken eines Auerochsen gebunden. / Die Regie hat diese Sadismen gedämpft, glücklicherweise manchmal aber zu sehr, wenn nämlich der wilde Stier den Eindruck eines harmlosen Öchsleins macht. Überhaupt sieht alles nicht so grauslich aus, wie es klingt, und geht für die Hauptpersonen überraschend gut aus. / Technisch ist dieser Film eine erhebliche Leistung und ein Fortschritt für das europäische Massenlichtspiel. Besonders der Brand Roms ist eine packende Bilderfolge mit gutgegliedertem Detail und sicherem Schnitt; auch das Fest Neros und Einzelnes in den Märtyrerszenen ist mit bemerkenswertem Können gemacht. Aber darstellerisch ist nur Jannings etwas, da die losangeleske Schönheit der Lilian Hall Davis ausdruckslos bleibt. Jannings gibt ein niedriges, weiches, durchaus rätselhaftes Menschentier von nackter, ahnungsloser Brutalität und Selbstliebe, ein teuflisches Kind, eine Naturerscheinung, einen Unmenschen.« (Ernst Blass: Quo vadis? In: Berliner Tageblatt. Jg. 53, Nr. 608 [Abend-Ausgabe] vom 23. Dezember 1924.)

31. März 1925 (Dienstag) • Im Theater am Nollendorfplatz findet die Berliner Erstaufführung des Dokumentarfilms »Zum Gipfel der Welt« statt, in dem Aufnahmen von der dritten Mount-Everest-Expedition im Jahre 1924 gezeigt werden. Zu Beginn der einzelnen Vorstellungen führen tibetanische Mönche (»Lamas«) rituelle Tänze auf. In ihrem Zeitungsbeitrag »Die Lamas« schreibt Else Lasker-Schüler: »Neben dem Hotel Koschel, im Theater am Nollendorfplatz, kann man der Lamas religiöse Feier und Tänze beiwohnen. Ihre Trompeten sind etwa zehn Meter lang, und ihre Weihe schwebt über die ganze Erde.« (Berliner Tageblatt. Jg. 54, Nr. 182 [Morgen-Expreß-Ausgabe] vom 18. April 1925; KA, Bd. 4.1. S. 95.)

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Zürich

7. Oktober 1925 (Mittwoch) • Im Bellevue-Kino findet die Schweizer Uraufführung von Charlie Chaplins Filmkomödie »The Gold Rush« statt. Der Schweizer Verleihtitel lautet »Goldfieber«. Am 8. Oktober schreibt Else Lasker-Schüler an Johannes Schalk: »Ich ging sofort von der Bahn in Ch. Chaplin Kino: Paul zu treffen, da wir hingehen wollten. Ich war in Locarno von der Zeitung gesandt.« (KA, Bd. 8: Briefe. 1925–1933. Bearbeitet von Sigrid Bauschinger. Frankfurt am Main 2005. S. 38.) Ebenfalls am 8. Oktober an Else und Lazar Felix Pinkus: »Spät kam ich gestern zurück und ging von der Bahn sofort zu Charlie Chaplin: Belle-Vue-Kino.« (S. 39.) Ein Kurzbericht über die Uraufführung erschien in der »Neuen Zürcher Zeitung« vom 9. Oktober 1925 (Jg. 146, Nr. 1576 [Morgenausgabe], Blatt 1 [»Lokales«]).

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Berlin

14. Januar 1926 (Donnerstag) • An Ida Bienert: »Aber in Berlin zwischen bunter Häuserlichtmagie vergißt man die starre Kälte – läßt sich Kino bewundern. (KA, Bd. 8. S. 54.)«

22. Mai 1926 (Samstag) • An Margarete Hauptmann: »Ich wende mich an Sie, ich kann Sie leiden ungesehn! Als Sie einmal so couragiert auf der Filmseide ins Meer [Zeichnung: Welle] sprangen, klatschte ich.« (KA, Bd. 8. S. 69.) – Margarete und Gerhart Hauptmann waren in dem deutschen Dokumentarfilm »Wege zu Kraft und Schönheit« von Wilhelm Prager zu sehen. Die Erstaufführung hatte im Jahr zuvor, am 16. März 1925, in Berlin im UFA-Palast am Zoo stattgefunden. Artur Michel schreibt in seiner Besprechung des Films: »Wir erleben in Deutschland, wie in anderen Kulturländern – nach eineinhalb Jahrtausenden der Verschimpfierung und Versklavung der irdischen Gestalt des Menschen – eine Renaissance des Körpers. Welchen Umfang, welche Formen die junge Körperkulturbewegung schon angenommen hat, will der große Ufa-Film ›Wege zu Kraft und Schönheit‹ zeigen. Er ist ein Propaganda-Film im besten Sinne des Wortes. Indem er alle zweckdienlichen Querschnitte und Längsschnitte durch die gesamte Körperkulturbewegung legt, offenbart er die ungeheure Breite und Vielseitigkeit der Bewegung, und zugleich wird er ihr dadurch unzählige neue Freunde gewinnen. / Der Film betont und fördert seine erzieherische Absicht, indem er immer wieder Beispiel und Gegenbeispiel nebeneinanderstellt. Gleich im Anfang folgen dem Leben im antiken Gymnasion Bilder aus dem heutigen Schulbetrieb: Schüler, die kurzsichtig über das Buch gebeugt Grammatik studieren. So sieht man den Stubengelehrten mit seinem verkümmerten Körper, die Näherin mit gekrümmtem Rücken an der Maschine; dann aber den modernen Menschen in den allgemeinen Zwangsspannungen, die ihn beherrschen: die Hetzjagd des Berufslebens und des Großstadtverkehrs, die wüsten Verzerrungen des Vergnügungslebens. Dem griechischen Ideal der ›Kalokagathie‹ wird in amüsanten Bildern als unser Ideal der gutsitzende Abendanzug gegenübergestellt, weiterhin der Bewegungsmensch dem Sitzmenschen, der natürlich aufgebaute Körper dem durch das Korsett verdorbenen Körper.« (A. M.: Wege zur Kraft und Schönheit. Der nackte Mensch im Film. In: Vossische Zeitung [Berlin]. Nr. 129 [Abend-Ausgabe] vom 17. März 1925.) Der Film war ein großer Publikumserfolg. Vgl. [Anonym:] 250. Aufführung von »Wege zu Kraft und Schönheit«. In: Vossische Zeitung (Berlin). Nr. 297 (Abend-Ausgabe) vom 25. Juni 1925.

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Zürich

2. April 1927 (Samstag) • An Marcel Brion: »Wir wollen dann immer ganz alleine durch Paris gehen, ich habe Angst vor vielen Menschen – Philippe kann mitgehen und André Germain, da ich die kenne. Wir wollen langsam durch die Straßen gehen, ich werde weinen vor Freiheit. Ich lade Sie dann alle in ein klein Kino ein und ich werde mit den Appachen Appache sein.« (KA, Bd. 8. S. 109.)

28. April 1927 (Donnerstag) • Else Lasker-Schüler schreibt an Paul Goldscheider: »Ich finde ja lesen auch so langweilig, so trocken. Ich sitze viel lieber im Kino im Wild-West Stück. Wenn ich mal wieder nach Wien komme, wollen wir Kino gehen.« (KA, Bd. 8. S. 121.)

5. Mai 1927 (Donnerstag) • Im Zürcher Bellevue-Kino findet die Erstaufführung des Dokumentarfilms »Afrikaflug« von Walter Mittelholzer statt. Am Tag zuvor schreibt Else Lasker-Schüler an Paul Goldscheider: »der große Afrikafilm lockt – ich bleib dann immer 3 × hintereinander mit ice cream« (KA, Bd. 8. S. 124). – Die Dokumentation des Schweizer Luftfahrtpioniers, der Zürich am 7. Dezember 1926 in Richtung Kapstadt verlassen hatte und dort am 21. Februar 1927 eingetroffen war, erfreute sich großer Beliebtheit. Am 9. Mai 1927 erschien in der »Neuen Zürcher Zeitung« (Jg. 148, Nr. 772 [Morgenausgabe], Blatt 1) ein Inserat, in dem für den Besuch der Nachmittagsvorstellungen geworben wurde: »Wie zu erwarten war, ist das Interesse für den Film: ›Mittelholzers Afrikaflug‹ überaus groß und dementsprechend finden bei dem riesigen Andrang zu den Abendvorstellungen Abend für Abend Hunderte von Personen keine Plätze mehr.« Zwei Tage später veröffentlichte dann die »Neue Zürcher Zeitung« eine ausführliche Besprechung des Films. Darin heißt es: »Dieser Film ist wirklich ein Bordbuch, geschrieben von solchen, die offenen Auges, von prächtiger Erlebnislust besessen, also nicht nur als Nurflieger, alles das festhalten, was ihnen für Landschaft und Menschen charakteristisch scheint. […] Dieser Film vermittelt von den Schwierigkeiten dieses Fluges ein sprechendes Bild, noch mehr aber bekräftigt er Mittelholzers wiederholt abgegebenes Bekenntnis, daß diese Afrikatraversierung etwas Herrliches, für alle Teilnehmer Unvergeßliches gewesen sei.« (at.: Mittelholzers Afrikafilm. In: Neue Zürcher Zeitung. Jg. 148, Nr. 788 [Mittagausgabe], Blatt 3 [»Lokales«] vom 11. Mai 1927.) – In Berlin wurde »Afrikaflug« ab dem 13. Juni 1927 gezeigt.

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Berlin

14. Mai 1927 (Samstag) • Im Capitol am Zoo findet die Erstaufführung von Friedrich Zelniks Film »Die Weber« nach dem gleichnamigen Schauspiel von Gerhart Hauptmann statt. In seiner Besprechung vergleicht Moritz Goldstein »Die Weber« mit dem russischen Film »Panzerkreuzer Potemkin«: »Wer erinnert sich noch – und wenn wir uns vielleicht noch erinnern: wer hat es noch im Gefühl, daß Hauptmanns ›Weber‹ als revolutionäre Tat enstanden sind, Alarmruf eines rebellischen Kopfes und selbst ein Stück Revolution? Die Jugend weiß nichts mehr davon, die Weber sind klassisch geworden und werden in der Schule gelesen. Nun hat sich der Film des Stoffes bemächtigt. Die Vergröberung einer Hauptmannschen Dichtung ohne Hauptmanns Dichterwort hat das innewohnende Pathos nicht zu ersticken vermocht; im Gegenteil, die ursprüngliche Kampfkraft bricht mit unerwarteter Wucht hervor und setzt aufs neue, wie vor 30 Jahren, ein Publikum in Flammen. / Der Boden, der diesen Weber-Film hervorgebracht hat, ist der ›Potemkin‹ und seine Nachfolgerschaft. Seltsam, wie sehr die ›Weber‹, so wie Hauptmann sie uns geschenkt hat, im Grundriß der ›Potemkin‹-Handlung gleichen: Unrecht der Wenigen gegen die Vielen ohne Einzelschicksal, Auflehnung gegen das Unrecht, Durchbruch der lange zurückgedämmten Empörung, Scheinsieg über die Macht, abgerissener Schluß an irgendeinem Punkt, der als Pointe wirkt, ohne zu entscheiden.« (gol.: Die Weber im Film. Vorführung im Capitol. In: Vossische Zeitung [Berlin]. Nr. 229 [Abend-Ausgabe] vom 16. Mai 1927.) Am 16. Juni schreibt Else Lasker-Schüler an Gerhart Hauptmann: »Die herrliche Filmaufführung: Die Weber sah ich und fand sie grandios.« (KA, Bd. 8. S. 136.)

Vossische Zeitung
Vossische Zeitung (Berlin). Nr. 224 (Morgen-Ausgabe) vom 13. Mai 1927, 1. Beilage

8. März 1928 (Donnerstag) • Besuch des Ufa-Palasts am Zoo. Gespielt wird der amerikanische Film »Onkel Toms Hütte« (1927) nach dem gleichnamigen Roman von Harriet Beecher Stowe. Am 9. März schreibt Else Lasker-Schüler an Paul Goldscheider: »Gestern Abend war ich in Onkel Toms Hütte eine Negergeschichte, die ich als Kind liebte –« (KA, Bd. 8. S. 189).

11. März 1928 (Sonntag) • Else Lasker-Schüler besucht eine Vorstellung von Henrik Galeens Film »Alraune« nach dem gleichnamigen Roman von Hanns Heinz Ewers. Am 12. März schreibt sie an Paul Goldscheider: »Gestern war ich in Allraune – saß 2 Vorstellungen hintereinander, mit Rotweinbohnen, nachher konnt ich nicht gerade aufstehen. Ich fuhr hin mit dem Auto, wir fahren jetzt alle, da ein bekannter fortwährend hier vorbei kommt.« (KA, Bd. 8. S. 190.) Die Erstaufführung des Films hatte am 25. Januar im Capitol am Zoo stattgefunden.

17. Oktober 1928 (Mittwoch) • Im Tauentzienpalast findet die Erstaufführung von Max Reichmanns Film »Ritter der Nacht« statt, der in Marseille spielt. Am selben Tag schreibt Else Lasker-Schüler an Marcel Brion: »I have seen aventure Marseille im Kino and I come 2 days to see it« (KA, Bd. 8. S. 204). Erneut am 6. Juni 1929 aus Köln: »I like to see: Marseille. Allways I have seen the aventurtown in the Kino.« (S. 219.) – Heinz Pol schreibt in seiner Besprechung des Films: »Das Ganze spielt in Marseille, Reichmann streut zwischen die Handlung besonders reizvolle Bilder dieser merkwürdigsten Hafenstadt Europas.« (H[einz] P[ol]: »Ritter der Nacht«. Tauentzien-Palast. In: Vossische Zeitung [Berlin]. Nr. 497 [Morgen-Ausgabe] vom 20. Oktober 1928, 1. Beilage.)

7. November 1929 (Donnerstag) • Im Ufa-Pavillon am Nollendorfplatz findet die Erstaufführung von Lupu Picks Film »Napoleon auf St. Helena« statt. Die Hauptrolle spielt Werner Krauß. In ihrer »Ulkiade« »Der Kartoffelpuffer«, 1932 in »Konzert« veröffentlicht, schreibt Else Lasker-Schüler: »Selbst Bonaparte speiste ihn / Den Reibepuffer mit der Josephin. / Ob Werner Krauß Napoleon / – Ihn mag? Ich glaube schon.« (KA, Bd. 4.1. S. 232.)

4. Dezember 1930 (Donnerstag) • Im Mozartsaal am Nollendorfplatz findet die deutsche Erstaufführung des amerikanischen Spielfilms »Im Westen nichts Neues« nach dem gleichnamigen Roman von Erich Maria Remarque statt. Am 3. Dezember schreibt Else Lasker-Schüler an Robert Asher, daß sie »2 schöne Karten für nebenan im Mozartsaal« habe: »Nichts Neues im Westen Film: Prémière« (KA, Bd. 8. S. 252). Über die deutsche Erstaufführung berichtet Heinz Pol: »Es ist schwer, unmittelbar nach dem Erlebnis dieser Aufführung kritisch sich mit einem Werk auseinanderzusetzen, das so umwerfend auf das Publikum wirkte, wie es bisher wohl überhaupt noch keinem Film gelang. Man war ein wenig sensationslüstern gekommen: seit Tagen lief ein Teil der Rechtspresse auf Grund angeblicher Nachrichten aus dem Auslande Sturm gegen den Bildstreifen, das Reichswehrministerium hatte protestiert, man war auf allerlei vorbereitet. Die wenigsten aber auf dieses tiefe Maß der Erschütterung und der völligen Fassungslosigkeit, die sich am Ende auf allen Gesichtern widerspiegelte.« (Heinz Pol: »Im Westen nichts Neues«. Mozartsaal. In: Vossische Zeitung [Berlin]. Nr. 574 [Abend-Ausgabe] vom 5. Dezember 1930.) Nach heftigen Protesten wird die weitere Aufführung des Films am 11. Dezember von der »Film-Oberprüfstelle« verboten. Am 4. Februar 1931 teilt Else Lasker-Schüler Adolf Grimme mit: »Ich bin noch nicht geheilt von der Nollendorfschlacht. Noch eine Wunde am Oberarm und Unterfußgelenk, so hab ich mich geschlagen mit den Nazis u. der Gesellschaft noch draußen vor den Filmplakaten flogen Fäuste wie Granaten.« (KA, Bd. 8. S. 262.) – Wahrscheinlich im Oktober 1935 schreibt Else Lasker-Schüler aus Ascona an Erich Maria Remarque: »Eben sagte mir Jemand auf der Straße, Sie seien: Nichts Neues im Westen. (Ich fand es großartig im Cinema damals in Berlin und jeder Zuschauende.« (KA, Bd. 9: Briefe. 1933–1936. Bearbeitet von Karl Jürgen Skrodzki. Frankfurt am Main 2008. S. 257.)

Vossische Zeitung
Vossische Zeitung (Berlin). Nr. 571 (Morgen-Ausgabe) vom 4. Dezember 1930, 1. Beilage

4. Januar 1931 (Sonntag) • An Robert Asher: »Diese Woche noch müssen wir zusammen sein. Habe Schönes vor. Zuerst super im roten Haus, dann Kino, dann bei mir mit schönen Knallbonbons, die ich schon gekauft habe.« (KA, Bd. 8. S. 258.)

8. Januar 1931 (Donnerstag) • Else Lasker-Schüler besucht im Marmorsaal am Kurfürstendamm die deutsche Erstaufführung des Dokumentarfilms »Mit Byrd zum Südpol«. Am 9. Januar teilt sie Robert Asher mit: »Marmorhaus Birds Expedition to the Südpol. Verry verry verry herrlich!! Gentlemen and Helden. And I went retour back to the Hotel direktly jesterday to fetsh your friend to go with me. but he was just eway.« (KA, Bd. 8. S. 258.) In seiner Besprechung des Films schreibt Heinz Pol: »An diesem Paramount-Film ist am bewundernswertesten die Leistung der beiden Filmoperateure, die die Byrd-Expedition nach dem Südpol begleiteten, und die bei 80 Grad Kälte und inmitten eines Schneesturmes mit ihren Apparaten alles aufnahmen, was sehenswert war, vollkommen unbekümmert und scheinbar empfindungslos gegen die Tücken der Außenwelt. So haben wir diesmal nicht nur die besten, sondern auch sie geschicktesten weil sachverständigsten Filmbilder von einer Expeditionsreise vor uns: das Byrd-Lager lebt vor unseren Augen auf, und das Wagnis Byrds rollt ab, spannend wie ein Drama mit happy end.« (h. p.: Mit Byrd zum Südpol. Marmorhaus. In: Vossische Zeitung [Berlin]. Nr. 16 [Morgen-Ausgabe] vom 10. Januar 1931, 1. Beilage.)

Vossische Zeitung
Vossische Zeitung (Berlin). Nr. 10 (Morgen-Ausgabe) vom 7. Januar 1931

15. Januar 1931 (Donnerstag) • An Paul Goldscheider: »Gerade die letzten Wochen hatte ich jeden Augenblick zu tun – wenn ich schon zu müde bin – ins Kino zu gehen.« (KA, Bd. 8. S. 259.)

12. Februar 1931 (Donnerstag) • An Paul Goldscheider: »Ich ernähre mich schon, ich brauch nicht viel – nur das Kino, mein täglicher Kuchen.« (KA, Bd. 8. S. 264 f.)

10. März 1931 (Dienstag) • An Paul Goldscheider: »Vis à vis von mir, herrlich Afrika, nebenan: Amerika – daneben: Australien Kinos. Und nie kann ich richtig hingehen vor Arbeit und Menschen – nie rasten.« (KA, Bd. 8. S. 269.) – Im November und Dezember 1930 hatten die Berliner Erstaufführungen des deutschen Dokumentarfilms »Achtung Australien! Achtung Asien!« von Colin Ross und des amerikanischen Expeditionsfilms »Afrika spricht!« (»Africa Speaks!«) von Walter Futter stattgefunden. Heinz Pol besprach beide Filme in der »Vossischen Zeitung«. Vgl. H. P.: Der neue Colin-Roß-Film. »Achtung, Australien! Achtung, Asien!« im Gloria-Palast. In: Vossische Zeitung (Berlin). Nr. 541 (Abend-Ausgabe) vom 15. November 1930; H. P.: »Afrika spricht«. Universum und Ufa-Pavillon. In: Vossische Zeitung (Berlin). Nr. 605 (Morgen-Ausgabe) vom 24. Dezember 1930, 1. Beilage. – Ab Mitte Februar 1931 wurde im Mozartsaal am Nollendorfplatz William Wylers Film »Galgenvögel« (»Hell’s Heroes«) gespielt. Heinz Pol schreibt in seiner Besprechung des Films: »Ein amerikanischer Reißer, wunderbare fotografische Aufnahmen, vorzügliche Darstellung und hier und da mit ein paar modernen Einfällen versehen, im ganzen aber enttäuschend.« (H. P.: Galgenvögel. Mozartsaal. In: Vossische Zeitung [Berlin]. Nr. 78 [Morgen-Ausgabe] vom 15. Februar 1931, 1. Beilage.)

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Wien

Unmittelbar um den 4. Juni 1931 • Zusammen mit Paul Goldscheider besucht Else Lasker-Schüler im Sascha-Palast eine Vorstellung des Spielfilms »Die Dreigroschenoper« (Regie: Georg Wilhelm Pabst) nach dem gleichnamigen Theaterstück von Bertolt Brecht. Die Wiener Erstaufführung hatte am 26. Mai stattgefunden, Else Lasker-Schüler las in Wien am 3. und am 5. Juni. In seinen Erinnerungen an Else Lasker-Schüler schreibt Paul Goldscheider: »Wir gingen zusammen zur Erstaufführung des ›Dreigroschenoper‹-Films von Bert Brecht. Als wir das Kino verließen, sagte sie: ›Ein Plagiat; aber ein geniales Plagiat.‹« (P. G.: »Wo ich bin, ist es grün«. In: Lasker-Schüler. Ein Buch zum 100. Geburtstag der Dichterin. Hg. von Michael Schmid. Wuppertal 1969. S. 50–54.) In der »Österreichischen Film-Zeitung« erschien anonym eine Besprechung des Films: »Premiere im Sascha-Palast vor einem trotz der hochsommerlichen Hitze bis auf das letzte Plätzchen gefüllten Hause. Man bekam den im Verleih der Sascha erscheinenden Film ›Die Drei-Groschenoper‹ zu sehen, eine Schöpfung G. W. Pabsts, ein Tonfilmwerk von seltener Originalität, in Stil und Charakter etwas absolut Neuartiges. Ein Ausschnitt aus der Londoner Unterwelt vergangener Tage mit geradezu raffinierten Milieuschilderungen. Glänzend gesehene, vielfach plastisch wirkende Bilder aus Soho, dem einstigen Londoner Verbrecherviertel, mit der geradezu fühlbar muffigen, dumpferen Atmosphäre der Verbrecherkaschemmen und Dirnensalons niedrigster Sorte. […] Und eine Fülle glänzend gestalteter Einzelszenen und Bilder, technisch fulminant, die, in Verbindung mit der Originalmusik von Kurt Weill, ein in seiner Seltsamkeit ganz außerordentlich wirkungsvolles, sensationelles Gesamtbild ergeben. Großartig die schauspielerischen Leistungen, vor allem die grandiose Charakterstudie Rudolf Forsters als Mackie Messer. Neben ihm verdienen hauptsächlich Carola Neher, Reinhold Schünzel, der hervorragend zu nuancieren weiß, und Fritz Rasp erwähnt zu werden. Es ist einmal etwas ganz anderes – ein Werk aber, das zu den bedeutendsten Schöpfungen der deutschen Produktion zu reihen ist.« ([Anonym:] Die Drei-Groschenoper. In: Österreichische Film-Zeitung [Wien]. Nr. 22 vom 30. Mai 1931. S. 2 [»Neue Tonfilme«].) – Der Film war in Berlin am 19. Februar 1931 im Atrium uraufgeführt worden.

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Berlin

Sommer 1931 • In ihrem Essay »Elisabeth Bergner« schreibt Else Lasker-Schüler: »Ich beobachte immer wieder das chevalereske Spiel der Partner Elisabeths, die sich angehen lassen, wie auch über die Seide der Filme, sie behutsam durch die Pfade der Tragödie zu leiten. Eine Kostbarkeit, sie die Elisabeth Bergner, die ihnen anvertraut.« (Der Taugenichts [Berlin]. Nr. 3 vom Sommer 1931. S. 23 f.; KA, Bd. 4.1. S. 208.)

24. Februar 1932 (Mittwoch) • Else Lasker-Schüler besucht im Capitol am Zoo eine Vorstellung des deutschen Spielfilms »Rasputin. Der Dämon der Frauen«. Noch am selben Abend schreibt sie an Erwin Loewenson: »Ich sitze hier im Café am Zoo, / Das ist mal eben so / Vorher war ich in Rasputin / Wie ich mal eben bin« (KA, Bd. 8. S. 290). Die Erstaufführung des Films hatte am 19. Februar stattgefunden.

Frühjahr 1932 • Das Bühnenmanuskript des Schauspiels »Arthur Aronymus und seine Väter« erscheint bei S. Fischer. Im 7. Bild bedient Else Lasker-Schüler sich der Technik des Films: »DER TRAUM: (Tonfilm) / Sein Grossväterlein, der Rabbuni und er wandeln durch die Strassen von Paderborn. Passieren die altmodischen Bibel-Giebelhäuser. Manches von den Häusern trägt eine Arabeske in Form einer spitzen langen Nase mitten im Gesicht. Bei manchen Häusern öffnen sich zwischen den Fenstern grosse Mäuler – eins schluckt nach Grossväterlein und ihm. Grossväterlein stolpert immer über seinen langen Bart, er ist schon steinalt, viel älter, wie er geworden ist in Wahrheit. Auch er, Arthur Aronimus, hat weisse Haare und er trägt den kleinen Wachsengel in der Hand vom Christbaum. Auf einmal begegnet ihnen: Lämmle Zilinsky, der grüsst sie beide artig. Grossväterlein winkt ihm stehen zu bleiben, fragt ihn: ›Sind jetzt die Kinder auch alle artig zu Dir?‹ Lämmle nickt und Arthur Aronimus sagt zu ihm: ›Ich will Dich nie mehr beschimpfen.‹ Dem Grossväterlein wachsen zwei schwarze Flügel an den Schultern, die werden immer grösser und Arthur Aronymus bittet Grossväterlein: ›Liebes Grossväterlein, bleib doch auf der Erden.‹ Auf einmal kommt ein ganz gross gewachsener Mann auf seinem Schaukelpferd geritten – und da gucken Fanny, Elischen, Arthur Aronymus und Katharina aus dem Fenster eines ganz alten Hauses. Und Fanny sagt: ›Das ist der Kurfürst von Hohenstaufen‹. Katharina sagt: ›Wo?‹ Elischen sagt: ›Wie ungebildet, Fanny, schäme Dich, der heisst nicht Kurfürst, sondern Conradin, der Ritter: Kreuz.‹ Da lacht der Kaplan Bernard ganz übermütig und an seinen Ohren bammelt die rote Schaumkugel vom Christbaum, die Arthur Aronimus stibitzen sollte der Ursula. Da kommt plötzlich ein Blitz vom Himmel und trifft Arthur Aronimus mitten ins Herz. Und danach ein Donner.« (KA, Bd. 2: Dramen. Bearbeitet von Georg-Michael Schulz. Frankfurt am Main 1997. S. 121.)

23. Mai 1932 (Montag) • An Klaus Gebhard: »Morgen verdien ich 140 Mk: Kaufe mir Sandalen, einen schwarzen Kleiderrock und gehe in ein schönes Kino und trinke vorher eine Maibowle bei Gerold.« (KA, Bd. 8. S. 299.)

16. Februar 1933 (Donnerstag) • Friedrich Dalsheims Film »Die Insel der Dämonen«, der auf Bali spielt, wird im Ufa-Pavillon am Nollendorfplatz uraufgeführt. In seinen Erinnerungen an Else Lasker-Schüler schreibt Teo Otto über ein wahrscheinlich in Zürich geführtes Gespräch: »Sie hatte den Film von Murnau ›Insel der Dämonen‹ gesehen. Dieser Film hatte damals in Deutschland großes Aufsehen erregt. Darin kommt die Szene der Hexenbeschwörung vor. Eine Dorfgemeinde versammelt sich im Kreis zu einer Art Meditation, beschwört eine Hexe und vernichtet sie. Sie sagte: ›Man kann das alles nicht so abtun, wie die Leute so sagen. Man sollte das auch einmal probieren. Wir sollten uns mal in Ascona zusammensetzen allen Ernstes, ich meine die Vernünftigen, auf ’ne Wiese oder im Zimmer und uns dann alle richtig anpacken und mit wumpa wumpa wumpa so lange an den Adolf denken, bis wir den bezwungen haben, daß er in ’ne jüdische Synagoge geht und Schofar bläst. Dann ist das mit dem dritten Reich aus. Dann lacht sich die Welt kaputt über des Deuwels Trommler.‹« (T. O.: Ein bergischer Kräher berichtet. In: Lasker-Schüler. Ein Buch zum 100. Geburtstag der Dichterin. Hg. von Michael Schmid. Wuppertal 1969. S. 41–49.) Die Nennung Friedrich Wilhelm Murnaus, der als bedeutendster deutscher Stummfilmregisseur gilt, beruht auf einer Verwechslung: Von ihm war 1931 der Südseefilm »Tabu«, Murnaus letzter Film, uraufgeführt worden.

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Locarno

8. August 1933 (Dienstag) • Else Lasker-Schüler an Ernest Rathenau: »Sollen wir morgen um 5 Uhr hier treffen: Café Swizzera Vegetarierheim, (bringen Sie Gefolge mit) an der Bahn: herrlichste Kartoffelpuffer essen – später: Kino – – alle?« (KA, Bd. 9. S. 33.) Erneut am 10. August: »Heute bin ich privat auf dem Berg in Ascona eingeladen. Aber: am Abend dann Kino.« (S. 35.) Am 28. September, aus Locarno nach Zürich zurückgekehrt: »Gedenkend der Kinovorstellungen, sende ich Ihnen liebe Grüße aus Zürich.« (S. 47.)

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Zürich

14. September 1933 (Donnerstag) • An Ernst Ginsberg schreibt Else Lasker-Schüler über den Schauspieler Kurt Horwitz: »Vor paar Tagen sah ich Ihren Freund Curt im Film und er erklärte als Astrologe den Mond und Sterne – ich weinte fast.« (KA, Bd. 9. S. 41.)

19. September 1933 (Dienstag) • Mit Erika und Klaus Mann besucht Else Lasker-Schüler das Kino Scala, in dem die Zürcher Erstaufführung des amerikanischen Historienfilms »Im Zeichen des Kreuzes« (1932) von Cecil B. DeMille stattfindet. Klaus Mann notiert im Tagebuch: »Mit E [d. i. Erika Mann] und der Lasker-Schüler im Kino: ›Im Zeichen des Kreuzes‹ (der Film, der Göring zum Reichstagsbrand angeregt hat.) Erregend durch pathetischen Riesenkitsch, Sadismus und Parallelen zu heute. – Gegessen bei St. Peter, Magnus [d. i. Magnus Henning] dazu. – Lasker-Schüler (gedankenflüchtig und verzweifelt) zeigt hübsche Indianerbildchen, die sie verfertigt – um sich zu beruhigen.«

29. November 1933 (Mittwoch) • An Klaus Mann: »Bitte antworten Sie mir sofort, lieber Kinonitter.« (KA, Bd. 9. S. 62.)

1. Januar 1934 (Montag) • Else Lasker-Schüler an den neunzehnjährigen Friedhelm Kemp: »Seit einem Monat, bin ich vorhin wieder einmal in ein Kino gegangen – aber ich saß wie versteinert und ging dann weinend wieder in dieses Hospiz, wo kein Mensch lächelt und ich schon ebenso bin.« (KA, Bd. 9. S. 72.) Else Lasker-Schüler wohnte in Zürich damals im Augustinerhof, einem evangelischen Hospiz. Gezeigt wurden in Zürich am 1. Januar unter anderem »Der Judas von Tirol« (Roxy), »Die letzte Zarin« (Capitol), »Die weiße Majestät« (Apollo), »Eines Prinzen junge Liebe« (Orient), »Schüsse an der Grenze« (Forum) und »Tausend für eine Nacht« (Bellevue).

19. Januar 1934 (Freitag) • Else Lasker-Schüler an die Nichte Edda Lindner in Berlin: »Seit Wochen kein Lichtchen, kein Wärmer und nie seh ich geringste (Kino) Abwechslung.« (KA, Bd. 9. S. 80.)

4. Februar 1934 (Sonntag) • Else Lasker-Schüler an Klaus Mann: »Am 8. gehe ich schnell in die Pfeffermühle. Hab selbst Kino nicht erlebt Monate.« (KA, Bd. 9. S. 83.) Das ursprünglich in München ansässige Kabarett »Die Pfeffermühle«, zu dessen Gründern Erika und Klaus Mann gehörten, spielte seit September 1933 in Zürich.

20. März 1934 (Dienstag) • Else Lasker-Schüler an Edda Lindner: »Also sucht mal Herrn Dr? Eippel auf der hier herrlichen Tierfilm zeigte. Er ist noch hier. Wir sprachen so nett. Grüßt von mir! Er hat geschrieben: ›Tiere sehen dich an!‹« (KA, Bd. 9. S. 111.) – Am 10. März 1934 wies die »Neue Zürcher Zeitung« in der Rubrik »Lokale Voranzeigen« (Jg. 155, Nr. 418 [Morgenausgabe], Blatt 3) auf folgende Veranstaltung der »Zürcher Kulturfilm-Gemeinde« hin: »Sonntag den 11. März, vormittags 10 ½ Uhr, spricht im Orient-Kino Paul Eipper, der bekannte Tierschriftsteller, zu seinem Film ›Tiere sehen dich an‹. Das in zehn Weltsprachen erschienene Tierbuch Paul Eippers ist hier zum Leben erweckt.« Eine anonyme Kurzbesprechung der Matinee veröffentlichte die »Neue Zürcher Zeitung« am 17. März 1934 (Jg. 155, Nr. 469 [Morgenausgabe], Blatt 3 [»Kulturfilmgemeinde«]). – Anläßlich der Aufführung von Paul Eippers Film in Berlin erschien in der »Vossischen Zeitung« (Berlin) vom 8. März 1932 (Nr. 115 [Abend-Ausgabe], [Beilage:] Unterhaltungsblatt Nr. 68) anonym eine kurze Besprechung: »Kamera. In der ›Kamera‹ konnte man bei dem Film ›Tiere sehen dich an‹ von Paul Eipper ungewöhnliche Einblicke in das Seelenleben der Tiere gewinnen. Es ist zum ersten Male gelungen, Tiere so aufzunehmen, daß sie interessiert in das Objektiv sehen. Es zeigt sich wieder, daß der Film besonders geeignet ist, die dunklen Gebiete des Tiererlebens von den modernen Triebformen bis zu den hochentwickelten Stufen eines zweckmäßigen Handelns aufzuhellen.«

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Reise von Genua nach Alexandria (auf der »Esperia«)

24. bis 27. März 1934

Else Lasker-Schüler schildert die Seereise 1937 in »Das Hebräerland«. Darin schreibt sie: »Das Cinema ›Espéria‹ weigert sich, ohne mich im Zuschauerraum zu wissen, mit dem Film zu beginnen. Es ahnte schon am ersten Tag unserer Fahrt, es beherbergt eine echte Kinoniterin. Oft ließ ich die schmackhafte Speise Speise stehen, oder mein Dessert wenigstens; zwängte die dickste der Orangen in meine Tasche, daß ihre Nähte zerplatzten, um nur nicht – den ersten Akt des Clarkgables-Liebesfilms zu versäumen und vor ihm den jugendlichen Duce in der Revue zu sehen.« (KA, Bd. 5: Prosa. Das Hebräerland. Bearbeitet von Karl Jürgen Skrodzki und Itta Shedletzky. Frankfurt am Main 2002. S. 54.)

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Jerusalem

4. April bis 30. Mai 1934

Nach »Steimatzky’s Palästina-Führer« von 1935 (Jerusalem: Steimatzky Publishing Corp. Ltd. S. 366) gab es damals drei Kinos in Jerusalem: Eden in der Agrippastraße, Edison in der Jesajastraße (Yeshayahustraße) und Zion in der Jaffastraße am Zionplatz. Bis Ende 1944 eröffneten fünf weitere Kinos: Orion, Regent, Rex, Studio und Tel-Or. Meist fanden drei Vorstellungen am Tag statt: eine nachmittags (circa 3.00 Uhr) und zwei abends (circa 7.00 und 9.00 Uhr). In der Nachmittagsvorstellung wurden in der Regel zwei Filme gezeigt. Am Sabbat und an den Feiertagen ruhte der Spielbetrieb. Schalom Ben-Chorin schreibt in seinen Erinnerungen an Else Lasker-Schüler: »Sie bedauerte es tief, daß Jerusalem damals nur drei Kinos hatte und sie daher ›gezwungen‹ war, jeden Film öfters anzusehen, da sie geradezu mit Pflichttreue jeden Abend ins Kino ging. Da konnte sie schwärmen wie ein Backfisch. Am liebsten sah sie Wildwestfilme oder Expeditionen in gefahrvolle Wüsten und Dschungeln.« (Sch. B.-Ch.: Jussuf in Jerusalem. In: Lasker-Schüler. Ein Buch zum 100. Geburtstag der Dichterin. Hg. von Michael Schmid. Wuppertal 1969. S. 55–69.) – Literatur: Ulrike Heikaus: Deutschsprachige Filme als Kulturinsel. Zur kulturellen Integration der deutschsprachigen Juden in Palästina (Pri ha-Pardes. Bd. 6). Potsdam 2009. Auch als PDF-Datei auf dem Publikationsserver der Universität Potsdam verfügbar.

Über das Kinoleben in Jerusalem berichtet Else Lasker-Schüler in »Das Hebräerland«:

Weitere Berichte über das Kinoleben in Jerusalem stehen in den Entwürfen zum »Hebräerland«:

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Zürich

Wahrscheinlich unmittelbar um den 24. Juli 1934 • An Emil Raas: »Dear Mill Raas / Wenn Sie Schauspieler wären, müßten Sie Sich so nennen, namentlich in amerikanischen Filmen.« (KA, Bd. 9. S. 135.)

4. August 1934 (Samstag) • Else Lasker-Schüler an Klaus Mann: »Wegen: Film ›Helgas Aufstieg‹ – verzweifelt.« (KA, Bd. 9. S. 139.) »Susan Lenox. Her Fall and Rise« (»Helgas Fall und Aufstieg«): amerikanischer Spielfilm von 1931 mit Greta Garbo und Clark Gable in den Hauptrollen. In Zürich war der Film vom 25. bis zum 31. Juli im Bellevue-Kino gespielt worden.

21. August 1934 (Dienstag) • In der »Neuen Zürcher Zeitung« (Jg. 155, Nr. 1494 [Mittagausgabe], Blatt 4) erscheint die Erzählung »Die weiße Georgine«: »In den runden Mond guckte ich eine Weile und war keineswegs, wie die beiden Verliebten annahmen, ins Cinema spaziert, um so bald nicht wieder heimzukommen.« (KA, Bd. 4.1. S. 275.)

21. Oktober 1934 (Sonntag) • Else Lasker-Schüler an Klaus Mann: »Kinoberichte: Die schwarze Schwester ein Zulufilm. Man hört endlich den Stamm sprechen. Tauben gegen – – – – – – – – – – Herrliche Menschen. Man steht Schlange wie nach dem Krieg von ihnen gefressen zu werden.« (KA, Bd. 9. S. 160.) »Tokosile. Die schwarze Schwester«: Missionsfilm von 1932/33 in Zulusprache mit Zwischentiteln. Regie führte Pater Stephan Jurczek. In Zürich wurde der Film vom 17. bis zum 23. Oktober im Roxy gespielt.

29. Januar 1935 (Dienstag) • Else Lasker-Schüler an Emil Raas: »Ich habe mir heute, (da ich wieder wie immer einsam im Kino saß, für die anderen nicht gebildet genug wo in einer Gegend am Canal, ich habe mir da im Dunkeln vor einer schlichten Wiesenlandschaft gelobt, niemehr Absonderlichkeiten an Mill zu schreiben.« (KA, Bd. 9. S. 205.) Die »Neue Zürcher Zeitung« vom 27. Januar 1935 (Jg. 156, Nr. 156 [Zweite Sonntagausgabe], Blatt 7) verzeichnet in der Rubrik »Zürcher Kinorundschau« zwei Filme mit Clark Gable: »Das Leben geht weiter« (»Manhattan Melodrama« / »Mord in Manhattan«) (Orient) und »Ich tanze nur für dich« (Apollo).

25. März 1935 (Montag) • Else Lasker-Schüler an Jakob Job: »Ich – arbeit immerzu ohne Ruh; doch manchmal im Cinema – da sitz ich ja.« (KA, Bd. 9. S. 217.)

23. Mai 1935 (Donnerstag) • An Emil Raas über die Arbeit an ihrem Buch »Das Hebräerland«: »Aber bald ist mein Buch fertig und dann bekomme ich sehr viel vorher und dann geh ich wieder ein bischen nach dem Judenland. Also Toledo könnte und Barcelona eine kleinste Stiefschwester von Jerusalem sein. Auch kauf ich ein Cinema. Das schönste auf der Welt.« (KA, Bd. 9. S. 229.)

1. oder 2. Juni 1935 (Samstag oder Sonntag) • An Emil Raas: »Ich hab auch seit gestern wieder Geld, konnte Postsachen kaufen und ging abends noch um 11 Uhr essen. Für Kino hab ich meist, oder bezahl anderen Tag oder so. Die Hauptsache: ich seh spielen. Wenn ich mal nach Bern gekommen wäre, wäre ich dort mal ins Kino gegangen, ob Sie mit gehen oder nicht. Da bin ich rücksichtslos.« (KA, Bd. 9. S. 233.)

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Ascona

2. Oktober 1935 (Mittwoch) • An Ernst Ginsberg: »Aber bon marchée, (mit e?) ach ich werde immer dümmer, / Dünner und ich las, daß Liesels Czinner, / Dreht und drahtet ein filmé!« (KA, Bd. 9. S. 255.) Paul Czinner hatte 1934 »The Rise of Catherine the Great« und 1935 »Escape Me Never« mit Elisabeth Bergner in den Hauptrollen gedreht: »Katharina die Große« war in der 2. Septemberhälfte 1934 in Zürich gespielt worden, die Schweizer Uraufführung von »Verlaß mich nie!« fand am 29. Oktober 1935 in Zürich statt. – Am 22. September 1935 hatte die »Neue Zürcher Zeitung« berichtet: »Einen Platz für sich beansprucht der Czinnerfilm ›Escape me never‹ mit Elisabeth Bergner. So groß man die schauspielerischen Leistungen der Bergner schätzen mag, so füllt sie doch einen Film, der zwar auf ihrer exaltiert-naiven Art aufgebaut ist, mit ihren intellektuellen Sentimentalitäten nicht aus.« (M. S.: Rückblick auf die Internationale Filmkunstausstellung. In: Neue Zürcher Zeitung. Jg. 156, Nr. 1634 [Erste Sonntagausgabe] vom 22. September 1935, Blatt 2.)

25. November 1935 (Montag) • An Emil Raas: »Der Cirkus ist längst fort. Aber es war ein Film: Freundschaft unter Tieren. Herrlich.« (KA, Bd. 9. S. 262.)

9. Februar 1936 (Sonntag) • An Emil Raas: »Ich wäre so gern heute mal nach Locarno gefahren, mal Kino gesehen, anderen Ort mal, aber ich bebte direkt heute morgen noch vor Entsetzen; die Zeitungen? welche? nannte man mir nicht, haben wieder wie einst, durch ein gehässigen Wicht und rachsüchtige Dichterin falsch colportiert und Hildenbrandt, Berliner Tageblatt konnte es nicht mehr ändern, der mir sehr gut gesinnt, ja er hätte gestohlen für mich. Jetzt haben sie angezeigt ich sei 60 Jahre geworden.« (KA, Bd. 9. S. 302.)

Kurz vor dem 17. April 1936 • An Emil Raas: »Haben Sie Geldnot? Aber dann spürt man die Freude, hat man wieder was. vielmehr. Menschen, die immer Geld haben, wie hier so viele, sind müde und mißmutig. Wenn ich gleich habe, bezahl ich die paar Läden und Frau Signorell (Schwester) geb ich 3 Frc. wieder und dann – Kino Sonnabend und meine neue schwarze Sammthose hol ich mir 3 Fr.« (KA, Bd. 9. S. 331.)

Ende April 1936 • An Emil Raas: »Morgen gehe ich Kino Locarno 7 Min. ungefähr Autoomnibusss von hier: Mazurka wird gespielt. Ich freue mich darauf.« (KA, Bd. 9. S. 337.) »Mazurka«: deutscher Spielfilm von 1935. Regie führte Willi Forst.

19. Mai 1936 (Dienstag) • An Emil Raas: »Ich sitz im Omnibus allein nach Locarno 7 Min. weit gehe ins Kino heimlich, da Geld.« (KA, Bd. 9. S. 350.)

4. Juni 1936 (Donnerstag) • An Emil Raas: »Am Sonnabend kommen Ernst Ginsberg mit seiner Ruth (Theater Zürich) für einen Tag. Die kenne ich sehr gut schon von Berlin her. Ich freue mich aber nur wenn ich weiß auch Sie sind sehr froh und – tanzen auch öfters. Ich geh dafür manchmal Cinema – Locarno.« (KA, Bd. 9. S. 359.)

18. Juni 1936 (Donnerstag) • Else Lasker-Schüler hat Emil Oprecht als Verleger ihres Buchs »Das Hebräerland« gewinnen können. Sie schreibt an Emil Raas: »Und nun werd ich was für mich, falls Geld – anders tu ich es nicht – vom Verlag, forttun, damit ich reisen kann wo ich gerad will ein Jahr und ins Kino gehen kann für mich« (KA, Bd. 9. S. 370).

19. Juni 1936 (Freitag) • An Emil Raas über Frau Urfus, die Mutter von Maria Moissi und Erna Greiner: »Lieber Mill, wollen Sie an eine Freundin von mir schreiben – die nun in Östreich ist, aber ich darf es nicht wissen. Sie muß mir zusprechen, ich geh sonst flöten. Sie muß kommen – denn ihre Schwester, die auch meine Freundin ist, befindet sich nun bei ihrer Mama, die krank ist – eine Burschenherrlichkeit mit der ich immer heimlich ins Kino am Meer und in Berlin ging.« (KA, Bd. 9. S. 373.)

Wahrscheinlich 29. Juni 1936 (Montag) • An Emil Raas: »Ich habe heute nur für eine Sendung Marken – morgen wieder Geld. Ach ich konnt so 10 Tage nicht ins Kino gehen. Die Schweizer kosten mich – so viel.« (KA, Bd. 9. S. 376.)

6. August 1936 (Donnerstag) • An Emil Raas: »Habe alles bezahlt und gehe Sonntag ins Kino oder nächsten Sonntag nach Locarno ins Cinema.« (KA, Bd. 9. S. 383.)

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Zürich

15. September 1936 (Dienstag) • Im Brief an Jacob Zucker erste Erwähnung des Kinos Studio Nord-Süd: »Ich bin wieder in Zürich. […] Freute mich, wir träfen uns wo Sie wollen: Wohne vis à vis von Nordsüdcafé – Hôtel Bollerei-Seehof Schifflände 10 oder 12 wie ein Matrose.« (KA, Bd. 9. S. 400.) Das Café Select und das Studio Nord-Süd waren im Herbst 1935 am Zürcher Schiffländeplatz eröffnet worden. Else Lasker-Schüler hatte sich seit dem Sommer 1935 im Tessin aufgehalten. Am 16. September 1936 schreibt sie an Emil Raas: »Gestern waren wir vis à vis im Künstlercafé: Nordsüd Enkel vom Roman. Café: Café New-Jork in Berlin. (S. 401.)« Einige Tage später, kurz nach dem 20. September, erneut an Emil Raas: »Links guck ich in die Gasse rechts über dem Platz 4eckig über die Limmat. Rechts am Platz Cinema: Süd und Nord – im Cinema das neue Künstlercafé. Alle Rendez-vous hier auf dem Platz.« (S. 402.)

September 1936 • In ihrem Beitrag zu der Rundfrage »Gegenwart und Zukunft der jüdischen Literatur« (Der Morgen. Monatsschrift der Juden in Deutschland [Berlin]. Jg. 12, H. 6. S. 254) schreibt Else Lasker-Schüler: »Laßt Verse sprechen! Ich stehe immer gleich zur Dichtung, denn sie ist nicht von dieser Welt. Mehr kann und will ich nicht darum sagen. Es gelten natürlich auch Menschen, die dichten, und ihr Dichten hat weltliche Eigenschaften. Ich will aber mit ersterer Ansicht (die nur nicht gelehrt etwa sein soll) nicht behaupten, ich ginge etwa nicht so gerne ins Kino, aber – hier ist keins …« (KA, Bd. 4.1. S. 292).

13. Oktober 1936 (Dienstag) • An Adolf Chajes und Schalom Ben-Chorin in Erinnerung an die erste Palästinareise im Frühjahr 1934: »Und alles alles alles Liebe und Schöne und immer wandele ich über den Jaffa road, wo ich wohnte im Hôtel Nordia gegenüber der Post. Und auch im Cinema Zion sitz ich so – oft einsam am Abend und sehe nicht mehr hier die Stadt Zürich und seine Quellen.« (KA, Bd. 11. S. 463 f.)

22. Januar 1937 (Freitag) • Else Lasker-Schüler an Emil Raas: »Hier ein herrlicher Indianerfilm gewesen – ich war entzückt: nur knarren und zirpen die Leute so in den Zähnen und das reizt mich so. Sie zirpen immer. Ich geh immer alleine und bin dann wie in Trance.« (KA, Bd. 10: Briefe. 1937–1940. Bearbeitet von Karl Jürgen Skrodzki und Andreas B. Kilcher. Frankfurt am Main 2009. S. 11.)

Anfang März 1937 • Else Lasker-Schüler schreibt an Emil Raas: »Ich sitz so gern im Cinema / Und ess die Plalinesen da. / Ich sitz’ so gerne ganz allein / Bei Taltzahn IV im Urwaldhain. / Ein wunderbares wildes Stück / Ach bitte gehn Sie mir zum Glück, / Falls es in Bern im Kino: Stern? / Gespielet wird ja mit einem Herrn / hinein.« (KA, Bd. 10. S. 17.) Ebenfalls Anfang März an Emil Raas: »Vorgestern im Kino (Urwald Tanzahn oder Tatzahn)« (S. 20). In den Jahren 1932–1936 waren die ersten drei Tarzan-Filme mit Jonny Weissmuller in der Titelrolle uraufgeführt worden: »Tarzan the Ape Man«, »Tarzan and His Mate« und »Tarzan Escapes«. 1933 spielte Buster Crabbe in »Tarzan the Fearless« die Titelrolle. »Tarzan Escapes« wurde mit dem Titel »Tarzans Flucht« ab dem 20. Februar in Zürich für zwei Wochen im Rex und in Bern für eine Woche im Capitol gezeigt.

3. März 1937 (Mittwoch) • Am Kopf des Briefes an Oskar Beyer notiert Else Lasker-Schüler als Absender: »Bollerei Hôtel Seehof / Limmatquay 24 oder 28 / Zürich. Vis à vis: Kinostudio? / Nord-Süd / (Im Hause: Café Selekt.)« (KA, Bd. 10. S. 21).

22. März 1937 (Montag) • Im Kino Urban wird der amerikanische Film »San Franzisco« (»San Franzisko. Stadt der Sünde«) (1936) mit Clark Gable und Jeanette MacDonald in den Hauptrollen gezeigt. Am selben Tag schreibt Else Lasker-Schüler an Emil Raas: »Heute abends Kino: Clark Gable und Mary Bickfort. nebenan: Urban.« (KA, Bd. 10. S. 34.) Mary Pickford spielte in dem Film nicht mit.

5. oder 6. April 1937 (Montag oder Dienstag) • An Emil Raas: »Ins Kino ging ich auch wieder – ganz allein, schlief manchmal ein und sah dann durch die kleine ›Ostereier‹glasscheibe in eine fremde Gegend und hörte fremde Menschen sprechen.« (KA, Bd. 10. S. 40.)

21. April 1937 (Mittwoch) • Im Brief an Emil (»Mill«) Raas berichtet Else Lasker-Schüler über ein Gespräch mit Emil Oprecht: »Dr. O. meint M. Raas heißt wirklich ein Cowboy in America im Cinema Zion. Rees wird der ausgesprochen.« (KA, Bd. 10. S. 43.)

1. Mai 1937 (Samstag) • Im Kino Rex wird der amerikanische Film »A Tale of Two Cities« (1935) nach dem gleichnamigen Roman von Charles Dickens gespielt. Regie führte Jack Conway. Der schweizerische Verleihtitel lautete »Der letzte Angriff auf die Schweizer-Garde«. Am selben Tag schreibt Else Lasker-Schüler an Emil Raas: »Ich gehe heut ins Kino: Rex« (KA, Bd. 10. S. 47).

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Reise nach Palästina (auf der »Galiläa«)

9. Juni 1937 (Mittwoch) • Else Lasker-Schüler schreibt an Silvain Guggenheim: »Um 9 Uhr: Cinema« (KA, Bd. 10. S. 55). In ihrer nachgelassenen Schrift »Auf der Galiläa nach Palästina« berichtet sie: »Ich kam mir vor wie des artigen Capitanos Privatgast; sass ich auch nicht direkt an seinem Tisch im lichten Speisesaal, so liess er sich informieren, ob ich auch die delikatesten der Speisen wähle? Und ich dachte doch beim souper intensiv an das um neun Uhr spielende Schiffskino, ausgegrabnem Films: Die Lieblingsfrau des Maharadschah.« (KA, Bd. 4.1. S. 447.) »Die Lieblingsfrau des Maharadscha« lautet der Titel eines dreiteiligen Films von Max Mack, gedreht in den Jahren 1916–1920. – An einer späteren Stelle von »Auf der Galiläa nach Palästina« schreibt Else Lasker-Schüler über Debora aus dem alttestamentlichen Buch der Richter: »Zurück zum Deck, begegnen mir mein liebes Doktorpaar mit ihrem astronomischen Professorfreund. Seit kurzem beschäftigt er sich mit der Kunst des Horoskops. Auch mein Horoskop soll er bearbeiten. Ich zitterte schon gestern vor ihm und meine Glieder bekamen Veitstanz, noch als Frau Sängerin bemerkte, Deborahs Horoskop habe schon bei ihrer Geburt ein egyptischer Weiser gestellt. Die arme Deborah, sie konnte nie als Prophetin ins Kino gehen, noch weniger mal anbendeln oder – sich ernstlich verlieben.« (S. 461.)

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Jerusalem

20. Juni 1937 (Sonntag) • Else Lasker-Schüler schreibt an Samuel Joseph und Esther Agnon: »Ich bin hier: Jerusalem Hôtel Vienna, neben Cinema Zion. Vis à vis Restorante Fäweroff.« (KA, Bd. 10. S. 56.)

30. Juli 1937 (Freitag) (Freitag) • Else Lasker-Schüler an Friedrich Andreas Meyer: »Ich wohne, Du schriebst ja die Adresse: Hôtel Vienna ganz nah: Cinema Zion vis à vis: Färberow.« (KA, Bd. 10. S. 68.)

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Zürich

1. November 1937 (Montag) • Else Lasker-Schüler berichtet im Brief an Emil Raas von ihrem Plan, das Schauspiel »Arthur Aronymus und seine Väter« zu verfilmen: »Arnold Schönberg der grosse Musiker nun in Hollywood schrieb mir er will gern Music zu meinem Arthur Aronymus machen und gab mir Adresse an Regisseur.« (KA, Bd. 10. S. 89.) Schönberg hatte am 3. Oktober aus Los Angeles an Else Lasker-Schüler geschrieben: »[…] ich danke Ihnen sehr für Ihre ehrende Aufforderung, Musik zu einem Stück von Ihnen, respektive dessen Verfilmung zu schreiben. Und sicherlich, wenn ich aufgefordert werden sollte und das Darzustellende einigermaßen innerhalb der Grenzen meines Ausdrucksvermögens liegen sollte, wird es mir eine Vergnügen sein und ich werde mich auf die Komposition stürzen. […] Jedenfalls wünsche ich Ihnen vielen Erfolg und füge die Adresse Wilhelm Dieterle’s bei […].« (S. 393.) – Gegen Ende ihres Briefs an Emil Raas schreibt Else Lasker-Schüler: »Bin Ihnen noch 20 Frank schuldig. Ich wart bis Sie – – – vergessen. Ich geh lieber dafür ins Cinema zu einem Stück das ich schon 10 Mal sah.« (S. 90.)

3. November 1937 (Mittwoch) • An Judith Swet in Erinnerung an die zweite Palästinareise im Sommer 1937: »Auch sah ich die wunderbare Davidstadt ja wie aus Sandsammt. Und noch viele Herrlichkeiten. Abends ging ich heimlich ins Cinema und dann in mein klein Hotel Vienna, Wär schon Osterzeit!« (KA, Bd. 10. S. 93.)

28. Dezember 1937 (Dienstag) • An Silvain Guggenheim: »Ich habe noch eine ebenso grosse Bitte wie einen vernünftigen Grund – ich möchte gut auskommen und das kann ich nur, wenn ich folgendes tue, ich lege Miete extra. Das übrige Geld lass ich mir sofort wechseln in Frankstücke in dem Bankhaus: schweizer Volksbank und nehm täglich 4 Frank zu mir wie Medizin; und da bleiben übrig, Miete bezahlt oder noch in der Düte, 20 Frc für Sachen, die mir etwas Freude machen oder Ruhe schaffen; für Wäscheseife oder auch für mein Gesicht für Marken wenn mir auch das Herz fast bricht, und allerlei, manchmal auch Memphis Cigarette, zum Paffen und auch mal Cinema kommt irgend ein besonderer Film in Sicht.« (KA, Bd. 10. S. 106 f.)

20. März 1938 (Sonntag) • Else Lasker-Schüler liest bei einer Matinee im Kino Studio Nord-Süd aus ihren Dichtungen. Den Plan zu dieser Lesung erwähnt sie zum erstenmal im Brief an Emil Raas vom 1. Dezember 1937: »Im Jan. will ich hier Vortrag halten, wahrscheinlich Matinée Nord-Süd Cinema.« (KA, Bd. 10. S. 100.) Am 28. Januar 1938 schreibt Else Lasker-Schüler an Silvain Guggenheim: »Mitte Februar, denken Sie, habe ich Matinée: Nord-Süd Kino vis à vis. Die Leute freuen sich, daß ich bei Ihnen vortrage. Das gefällt mir so. Die Besitzerin sehr künstlerisch. Ich freue mich darüber.« (S. 116.) Am 16. Februar an Jacob Zucker: »Ich halte sehr bald: Cinema Nord-Süd im Hause Selekt Matinée an kommenden Sonntagen; die Inhaberin möchte es auch gern.« (S. 122.) Am 14. März an Emil Raas: »Am 20. III. Matinée ½ 11 Uhr Cinema Nord-Süd vis à vis Bollerei Seehof.« (S. 130.)

18. April 1938 (Montag) • An Franz Lappe: »Ich weiß noch ganz genau wie Sie aussehen und weiß darum: Sie sind a good man. Wie der Amerikaner zu sagen pflegt in den Filmen.« (KA, Bd. 10. S. 139.)

1. Juli 1938 (Freitag) • An Nahum (Nachum) Goldmann: »Ich hörte es handele sich um einen Palästinafilm, den Sie zu vergeben haben. Ich habe doch selbst 2 Theaterstücke gedichtet, das letzte Kleistpreisgekrönt dazumal 32 – in Berlin. Soll ich den Film schreiben und inscenieren in Jerusalem etc.« (KA, Bd. 10. S. 148.)

22. August 1938 (Montag) • Im Brief an Ines Asher in Chicago erwähnt Else Lasker-Schüler noch einmal ihren Plan, das Schauspiel »Arthur Aronymus und seine Väter« zu verfilmen. Sie hofft, mit den Einnahmen für den Unterhalt ihrer Nichten Edda und Erika Lindner sorgen zu können: »Ich kann ja nichts geben! aber wenn wir zusammen den Plan ausführen, enorme Aussicht. Selbst Cinema wäre famos. Wir beide sind doch energisch und können mit dem Kopf durch die Wand.« (KA, Bd. 10. S. 161.)

12. September 1938 (Montag) • Else Lasker-Schüler an Leopold Lindtberg: »Der Film – noch nie Dagewesenes. (Publicum klatschte während Spiel) / Alle herrlich auch die Frauen. / Herr Gretler unerhört. Mr. Cariët herrlich.« (KA, Bd. 10. S. 166.) Zarli Carigiet spielte in »Füsilier Wipf« (1938) den Schatzli, Heinrich Gretler den Leu. Regie führten Hermann Haller und Leopold Lindtberg. Der Film wurde in Zürich im Urban am Bellevueplatz ab dem 10. September für zehn Wochen gespielt, anschließend für sechs weitere Wochen im Kino Walche. – Im »Israelitischen Wochenblatt für die Schweiz« (Zürich) vom 16. September 1938 (Jg. 38, Nr. 37. S. 25 [»Zürcher Rundschau«]) erschien anonym eine Besprechung von »Füsilier Wipf«. Darin heißt es: »Die Regie liegt in den bewährten Händen von Hermann Haller und Leopold Lindtberg, der nun auch für den Film starke Begabung verrät.« Ein kurzer Hinweis auf den Film erschien auch in der »Jüdischen Presszentrale Zürich« vom 16. September (Jg. 21, Nr. 1005. S. 13 [»Das Blatt der jüdischen Frau«]).

21. November 1938 (Montag) • Else Lasker-Schüler an Emil Raas: »Ich sah Film von Russland mit dem damaligem Priester?? im Moment Namen vergessen. Harry Bauer grossartig. All mein wenig Geld geht damit immer futsch.« (KA, Bd. 10. S. 186.) Harry Baur spielte in »La Tragédie impériale« (»Raspoutine«) von 1938 den russischen Mönch Rasputin, der als angeblicher Wunderheiler Einfluß auf die Zarenfamilie gewinnen konnte. Regie führte Marcel L’Herbier. Der Film wurde in Zürich im Urban am Bellevueplatz ab dem 19. November für eine Woche gespielt.

21. Februar 1939 (Dienstag) • Else Lasker-Schüler beendet die Arbeit an den »Tagebuchzeilen aus Zürich«, einem bunten Panorama ihres Alltags im schweizerischen Exil. Der Schluß lautet: »Wir besuchen Vorträge, Herzen im Arme tragend, wie Schulkinder in Räume der Zunfthäuser. Heute spricht Franz Kobler der bekannte Jurist aus Wien vertrieben und seine Rede wächst, rundet sich, sie erhebt sich zu einem Palast.« (KA, Bd. 4.1. S. 426.) Kobler sprach am 21. Februar 1939 in Zürich auf Einladung der »Vereinigung für soziale und kulturelle Arbeit im Judentum« über das Thema »Das Geheimnis der jüdischen Wanderungen«. Else Lasker-Schüler erwähnt den Vortrag im Brief an Emil Raas vom 23. Februar (KA, Bd. 10. S. 207). – Über das Kino Studio Nord-Süd heißt es in den »Tagebuchzeilen«: »In dem grossen Hause der Selektbar spielt der charmanten Ann Indemauers und ihres netten Compagnons: Will Bössigers internationales berühmtes Cinematheater: NORD-SÜD. Dreimal täglich zum Entzücken des Kinoniters.« (KA, Bd. 4.1. S. 404.) An Schauspielern erwähnt Else Lasker-Schüler Fred Astaire und Clark Gable (»Das geht durch Nerven mir und Sehnen!! / Tanzt Fred, spielt Clark in Liebesscenen.« [S. 405]), Bette Davis, Katharine Hepburn, Mae West und Charles Laughton (»Ich bin in Nord-Süd verliebt! Bewundere schon am Morgen Ann Indemauers selbstentworfenes Plakat. Und unter Glas die Künstlerexemplare. Die Stars: // Bad Davis and the Catherin, / May West die Löwenbändigerin / And Laughton – and – you and you.« [S. 405]) sowie Charles (Charlie) Chaplin (»Ich denk an Kerr – schlag nach im Lexicon, / Dem während Chaplin in den Missisippi fiel, / Von Gattin zugesteckt ein Eisbonbon / Natürlich gänzlich sonambül.« [S. 408]), an Filmfiguren Mickey Mouse (»Heut spielt die Micky Mickymaus! / In allen Rassen.« [S. 404]), Rin Tin Tin (»Den Wunderwauwau Rintintin / Zu kritisieren geradezu Unsinn!« [S. 406]) und Tarzan (»Mir tut das Herz noch weh – / Denk ich an Kerr, der ganz in meiner Nähe sass, / Dem, während Geyerschaaren Tarzan frass, / Von Gattin zugesteckt ein – Prallinee –« [S. 408]). – Über ihren jung verstorbenen Sohn Paul schreibt Else Lasker-Schüler: »Mein herzliebster Junge und ich, zwei eingeborene Kinoniter, fühlten uns im Kinolande zu Hause. Abends auf dem Heimweg betonte mein Junge, in der ganzen Welt würde ich keinen fleissigeren Zeichner finden – wie er, excistierten die blauen Mädchenaugen, noch die dunkelblauen in den farbigen Filmen nicht. Aber auch vor den Plakaten der Liebesfilme blieben wir beide gemeinsam nach blauen Sternen suchend, täglich in allen Städten stehn.« (S. 406.)

15. März 1939 (Mittwoch) • Unmittelbar vor ihrer Abreise nach Palästina hält Else Lasker-Schüler im Zunfthaus zur Meise eine »Abschiedsvorlesung«. Eingeladen hat die »Vereinigung für soziale und kulturelle Arbeit im Judentum«. Ausführlich geht Else Lasker-Schüler im Vortrag noch einmal auf ihre Besuche im Kino Studio Nord-Süd ein: »Nord-Süd verhalf mir über der Dämmerung Melancholie grauer Nebelbrücke hinüber zu kommen. Ich bin in Nord-Süd verliebt! In der Frühe schon bewundere ich Madame Indermauers selbstentworfenes Plakat und unter Glas die Künstlerexemplare! […] Gerne opfere ich meinen letzten Franken für das Cinematheater: Nord-Süd. Von allem abgesehen, bietet sich einem, im Fall einer netten Bekanntschaft mit dem Nebenan, Gelegenheit, französisch zu lernen oder englisch. // Ich stürze mich mit einem Satz vorn in die dritte Reihe / und nehme an der Ecke Platz. / Nicht nur aus pekuniärem Grund ich guckte mir die Augen wund / Aus all zugrosser Ferne. / Auch sitz ich nah so gerne. / Man weilt im Cinema Nord-Süd wo man plaziert sich überall lieb / und schaut die Filme unverbaut von einem Hute, Zuckerdüte / Himmelhochjauchzenden einer Braut / und ohne, dass ein Nebenmann, sich Reste holt aus seinem Backenzahn. // Uebriggebliebenes Goulasch vermutlich vom Tisch der Cafébar Select im selben Hause des Cinema Theaters: Nord-Süd.« (KA, Bd. 4.1. S. 434 f.)

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Jerusalem

7. April 1939 (Freitag) • An Emil Raas: »Die Cinemas gehen. Ich wohne 1 Minute vom größten Cinema: Zion.« (KA, Bd. 10. S. 215.)

18. April 1939 (Dienstag) • Auf einer Postkarte an Nehemia Cymbalist notiert Else Lasker-Schüler als Absender: »Hôtel Vienna. Jerusalem / 1 Min. vom Cinema: Zion.« (KA, Bd. 10. S. 218.)

2. August 1939 (Mittwoch) • Über ein Filmprojekt schreibt Else Lasker-Schüler an Yitzhak Shenhar (Schönberg): »Und – denken Sie – Engländer wollen (seit gestern) ich soll Film April für hier schreiben und mit inscenieren. Vielleicht.« (KA, Bd. 10. S. 239.) Im Verlauf des Monats erwähnt sie das Projekt noch in vier weiteren Briefen. An Salman Schocken am 3. August: »Ich soll einen Film später hier machen (Engländer besprachen mit mir) und einen schönen wüßte ich; und die Land und Berge, die ich wählte. Und Ihre Paläste dürfen nicht fehlen – (mit meinen Büchern – – –!)« (S. 240). An Yitzhak Shenhar am 3. August: »Bei dem Film müßten Sie helfen« (S. 240). An Nehemia Cymbalist kurz vor dem 14. August: »Colonie Tel-Joseph und Du muß Film vorkommen.« (S. 244.) An Emil Raas am 30. August: »Hier Halb-Engländer sind nett zu mir in Talpioth. Ich habe bestellt: Film« (S. 249).

20. September 1939 (Mittwoch) • An Emil Raas: »Some times we go Cinema. Beautiful Cinema – english and americ: Wild West.« (KA, Bd. 10. S. 254.)

2. November 1939 (Donnerstag) • Über Friedrich Andreas Meyer schreibt Else Lasker-Schüler an David Werner Senator: »Nun möcht ich, dass der Andreas keine Sorge hat. Er hatte sich so eingeteilt und führte Buch und alles schien ihm noch genug. / Und wollte ich ins Cinema, (ich für mein Geld natürlich) / Am Abend oder schon am Tag, / Er sagte immer: nein und nein! / So ging ich manchmal ganz allein / Ins Zion oder Orion. / Ich bebe, spricht man nur davon! (Vom Cinema.)« (KA, Bd. 10. S. 259 f.)

3. Dezember 1939 (Sonntag) • An Emil Raas: »Fine english pieces in Cinemas and french ones and that is for me so fine sometimes.« (KA, Bd. 10. S. 264.)

22. Januar 1940 (Montag) • An Jethro Bithell: »Now in the Cinemas I can understand written english, but I come athome, all forgotten!« (KA, Bd. 10. S. 268.)

18. Februar 1940 (Sonntag) • An Emil Raas: »I go often in cinema and allways all people here and we look all, Mill, and I hope soon all good again.« (KA, Bd. 10. S. 270.)

23. Mai 1940 (Donnerstag) • Else Lasker-Schüler fertigt für Salman Schocken eine Gedächtniskopie ihres Briefes an Pius XII. an. Darin heißt es: »Ich gehe so gerne ins Cinema und es ist mir ein Geschenk den Heiligen Vater zu sehen – seine Augen sind flammende Engel.« (KA, Bd. 10. S. 288.)

10. August 1940 (Samstag) • Im Kino Zion findet die Jerusalemer Erstaufführung der Filmkomödie »Ninotschka« (»Ninotchka«) von 1939 (Regie: Ernst Lubitsch) statt. Die Hauptrolle spielt Greta Garbo. Der Film wird bis zum 5. September in Jerusalem gezeigt. – In einer Radiosendung schildert Trude Dothan, die Tochter von Leopold und Grete Krakauer, 1975 ihre Kinobesuche mit Else Lasker-Schüler. Über die Sendung berichtet Erich Gottgetreu: »Von der Anfang der vierziger Jahre noch ›kleinen‹ Trude Krakauer hatte sich Else Lasker-Schüler gern ins Kino führen lassen, das sie, ebenso wie jeden Zirkus, über alles liebte. Zu manchem Film mußte Trude die Dichterin bis zu dreimal begleiten, wenn er ihr besonders gefiel. Solch einen Erfolg löste z. B. ›Ninotschka‹ mit der Garbo aus – damals stürmte Else mitten in einer Vorführung des Films auf die Bühne, um der Leinwanderscheinung der Garbo voller Begeisterung zu applaudieren. Es machte ihr nichts aus, daß das zuerst verblüffte, dann amüsierte Publikum sie auslachte. Stolz erklärte sie auf dem Heimweg: ›Ich habe es mit Absicht getan.‹« (Aus Else Lasker-Schülers Jerusalemer Zeit. Biographische Ergänzungen drei Jahrzehnte nach ihrem Tode. In: MB. Wochenzeitung des Irgun Olej Merkas Europa [Tel Aviv]. Jg. 43, Nr. 31/32 vom 8. August 1975. S. 7.)

Vielleicht 6. September 1940 (Freitag) • An David Werner Senator: »Wie kann ich je mich revanchieren? / Ich hatte eh’mals offene Türen, / Sie schlugen mir vor der Nase zu!! / Doch spielt man hier im Cinema, / Ein’ Film aus Texas, den ich sah; / Ich säh’ ihn gern von spät bis fruh. / Darf ich Sie enviter dazu?? / (Die 7. Reihe ist mein goût.) / Seit Nord und Süd America, / Ich niemals solchen Film ich sah!« (KA, Bd. 10. S. 303.)

6. Oktober 1940 (Sonntag) • An Hans Samuel: »Cinema sind gut. Politisches mündlich.« (KA, Bd. 10. S. 309.)

8. Oktober 1940 (Dienstag) • An Salman Schocken: »(Neues Cinemafilm hier)« (KA, Bd. 10. S. 310). An neuen Filmen wurden in Jerusalem ab dem 5. Oktober im Kino Eden »Balalaika« (1939) mit Nelson Eddy und Ilona Massey und im Kino Zion »Mr. Smith Goes to Washington« (1939) mit Jean Arthur und James Stewart gespielt.

7. November 1940 (Donnerstag) • Im Kino Edison gastiert das Habima-Theater mit einer hebräischen Inszenierung von »Got, mentsh un tayvl« des jiddischen Dramatikers Jacob Gordin. Am selben Tag schreibt Else Lasker-Schüler an Samuel Wassermann: »Möchten Sie heute Abend die Habimâh sehen. Edisonkino. Ich bekomme 2 Karten (sehr gute) Ich müßte Sie um 6 Uhr spätestens sprechen.« (KA, Bd. 10. S. 314.)

8. April 1941 (Dienstag) • Nach einem Besuch beim Rabbiner Weiß und dessen Frau schreibt Else Lasker-Schüler an Ernst Simon: »Nachher brachten sie mich nach Haus. Wir gingen dann, da ich Cinema liebe, zu Dritt ins Kino. Ich saß in ihrer Mitt’ – das ist mal so. 4. Reihe 35 Mils.« (KA, Bd. 11. S. 30.)

13. Mai 1941 (Dienstag) • Im Kino Edison wird die österreichische Filmkomödie »Der Herr ohne Wohnung« (»The Shelterless Gentleman«) von 1934 gespielt. Am Tag zuvor schreibt Else Lasker-Schüler an Samuel Wassermann: »Ich sehe eben in der Zeitung: Morgen: Dienstag letzte Cinemaaufführung im Cinema: Edison in Ihrer Nähe 7 Uhr und 8,30 Film. Darin spielt Herm. Thimig, der in meiner Wupper Hauptrolle hatte, außerdem die großartige Frau Sandrock. Es soll prachtvoll sein!« (KA, Bd. 11. S. 31.)

9. Juni 1941 (Montag) • Im Kino Edison wird der russische Film »The Oppenheim Family« (1938) nach dem Roman »Die Geschwister Oppenheim« (1933) von Lion Feuchtwanger gespielt. Am selben Tag schreibt Else Lasker-Schüler an Olga Alexander: »Ich bin Monday so gehetzt, wenn Sie ermöglichen können, Sie Ihr Bruderdoktor heute entbehren kann, seien Sie lieber um 6 Uhr bei mir. Erst am Abend 7 Uhr spielt das Stück: Familie Oppenheimer.« (KA, Bd. 11. S. 33.)

20. Juli 1941 (Sonntag) • Else Lasker-Schüler liest im »Alfred Berger Club« ihr Schauspiel »IchundIch« zum erstenmal öffentlich vor. Gleich zu Beginn des ersten Aktes werden Gäste vorgestellt, die aus Hollywood nach Jerusalem gekommen sind: »In Der Direktorenloge: Direktor Max Reinhard aus Hollywood nach Jerusalem zur Inscenierung gebeten. / Ihm gegenüber: The Three american. Komiker: brother: Ritz« (KA, Bd. 2. S. 187). Auch in diesem Stück bedient Else Lasker-Schüler sich – wie bereits in »Arthur Aronymus und seine Väter« – der Technik des Films: »Der Satan füllt satanisch lächelnd den Becher des Marschal Göhrings selbst) Flammen schiessen aus dem Wein empor, zischen und der starke Dunst benebelt ihn.) Im Wiederschein des behexten feurigen Weins erkennt der Marschal an der weiten Wand des Speisesaals erblassend den brennenden Reichspalast. (Mit Hilfe des Films darzustellen.)« (S. 197.)

2. August 1941 (Samstag) • Im Kino Zion wird »Another Thin Man« (1939) mit William Powell und Myrna Loy in den Hauptrollen gespielt. Am selben Tag schreibt Else Lasker-Schüler an Ernst Simon: »Cinema Zion 7 o cl beginning / […] / Ein schönes Stück sicherlich. heute abend.« (KA, Bd. 11. S. 47.)

Kurz nach dem 2. September 1941 • An Olga Alexander: »Ich bin um ½ 3 Uhr: Vienna Café wenn Sie Lust haben, wollen wir ins Cinema? Ich habe dann schon die Bilets.« (KA, Bd. 11. S. 58.)

28. September 1941 (Sonntag) • Else Lasker-Schüler besucht im Kino Zion eine Vorstellung des amerikanischen Spielfilms »Susannah of the Mounties« (1939) mit Shirley Temple und Randolph Scott in den Hauptrollen. Auf dem Weg zum Kino schreibt sie an Samuel Wassermann: »Ich war hier ¼ nach 6 Sie zu holen (hatte 2 Bilet) Cinema Zion. / Bilet liegt Kasse unter meinen Namen. / Kommen Sie noch 4. Reihe.« (KA, Bd. 11. S. 62.)

19. Oktober 1941 (Sonntag) • Im Kino Tel-Or werden in der Nachmittagsvorstellung die amerikanische Filmkomödie »Babes in Arms« (1939) mit Judy Garland und Mickey Rooney in den Hauptrollen und die deutsche Operettenverfilmung »The Csardas Princess« (»Die Czardasfürstin«) von 1934 gezeigt. Auf einer Eintrittskarte des Kinos Tel-Or vom selben Tag teilt Else Lasker-Schüler Friedrich Andreas Meyer mit: »Um 8 Uhr Färberow alle sind da! Konnte nicht eher kommen« (KA, Bd. 11. S. 66).

2. November 1941 (Sonntag) • Im Kino Zion wird »Vessel of Wrath« (»The Beachcomber«) von 1938 mit Charles Laughton in der Hauptrolle gespielt. Am selben Tag schreibt Else Lasker-Schüler an Samuel Wassermann: »Laughton spielt Cinema: Zion.« (KA, Bd. 11. S. 68.)

9. November 1941 (Sonntag) • An Ernst Simon schreibt Else Lasker-Schüler über ihre Lesung des Schauspiels »Arthur Aronymus und seine Väter« am 11. November: »Mein Publikum wacht auf, schläft es auch manchmal ein. / Wildwestfilm: Unerwiederte Liebe. or: I love jou, Ernest.« (KA, Bd. 11. S. 71.)

18. Januar 1942 (Sonntag) • An Ernst Simon: »Natürlich geben es auch Juden die Jeschurun sind – die zulauschen können ohne Kritik, ›gescheidte‹ Bemerkungen, die lieber ein ›gutes Buch‹ lesen, als ins Kino gehen.« (KA, Bd. 11. S. 102.)

21. Januar 1942 (Mittwoch) • Else Lasker-Schüler besucht wahrscheinlich eine Vorstellung des britischen Spielfilms »Lady Hamilton« (1941) mit Vivien Leigh und Laurence Olivier. Der Film wird im Kino Zion gezeigt. Am selben Tag schreibt sie an Samuel Wassermann: »Es war Film herrlich.« (KA, Bd. 11. S. 103.)

22. Januar 1942 (Donnerstag) • An Nehemia Cymbalist: »Wat für Bilder meinst Du? Willst Du Bilder zeigen? Tue das! Filmseide kann nicht gespannt werden.« (KA, Bd. 11. S. 107.) Else Lasker-Schüler hatte Nehemia Cymbalist eingeladen, im Kraal, der von ihr in Jerusalem gegründeten Vortragsvereinigung, zu lesen.

1. Februar 1942 (Sonntag) • Else Lasker-Schüler schickt Ulrich Salingré und Fritz Romann eine Einladung zu einer Lesung Werner Krafts im Kraal. Als Adresse notiert sie: »im Saal: 3. Mädchenschule: Beth Sefer lebanoth gimmel. Seitengasse Ben Jehuda Str. zwischen Zion-Kino und Tenuwa« (KA, Bd. 11. S. 109).

6. April 1942 (Montag) • Zusammen mit Olga Alexander besucht Else Lasker-Schüler wahrscheinlich eine Vorstellung des amerikanischen Spielfilms »Mata Hari« (1931) mit Greta Garbo in der Hauptrolle. Der Film wird im Kino Tel-Or gezeigt. Am 5. April schreibt sie an Olga Alexander: »Enormer Andrang. / Ich nehme 3 Karten schon am Vormittag 4. Reihe?? Wir kriegen sonst keine Karte. Soll großartig sein. Ich bin ½ 7 Uhr Dienstag (also morgen) vor dem Cinema.« (KA, Bd. 11. S. 128.) »Dienstag« dürfte für »Montag« verschrieben sein: Am 7. April fand wegen der Pessachtage keine Abendvorstellung statt.

14. Juni 1942 (Sonntag) • Besuch des Kinos Zion. Gespielt wird »The Flame of New Orleans« (1941) mit Marlene Dietrich. Am selben Tag schreibt Else Lasker-Schüler an Ernst Simon: »Wir gehen heute ins Cinema Zion. 3 Uhr. Herrlich Stück mit der schönen Marlene. Sehe 4. Mal!« (KA, Bd. 11. S. 146.) In seiner Besprechung des Films äußert Franz Goldstein sich ausführlich zu Marlene Dietrich: »Marlene, daughter of an aristocratic German officer at Potsdam, resolutely rejected all the most tempting Nazi offers to come back to Germany and act there, and spent her continental holidays first in Vienna, then in Paris, without ever setting foot on Nazi soil again. She has kept everything of her earlier charm, even though she does not sing much in this film, and she knows now to wear her elaborate period costumes. When she pretends extreme innocence and only just gets away with it, she can still be enchanting. Roland Young (›Topper‹) is her anxious suitor, her real partner being Bruce Cabot, who has a refreshingly vigorous personality.« (Frango: At the Cinema. In: The Palestine Post [Jerusalem]. Jg. 17 [18], Nr. 4891 vom 8. Juni 1942. S. 2.)

4. August 1942 (Dienstag) • An Samuel Wassermann: »Ich erwarte Sie also morgen – nur wenn Sie ganz wohl und nicht zu müde, ›Expresso‹ erwarte ich Sie. zeitig, daß noch Zeit zum Essen. bis 7 Uhr. […] Auch Cinema lade ich Sie ein!!!« (KA, Bd. 11. S. 163.) Am 5. August spielten die Jerusalemer Kinos in den Abendvorstellungen die Filme »The Big Store« (1941, Regie: Charles Reisner) (Eden), »Abe Lincoln in Illinois« (1940, Regie: John Cromwell) (Orion), »Conquest« (1937, Regie: Clarence Brown) (Regent), »New Moon« (1940, Regie: Robert Z. Leonard) (Tel-Or) und »In the Navy« (1941, Regie: Arthur Lubin) (Zion).

10. September 1942 (Donnerstag) • Im Kino Orion wird der amerikanische Film »The Devil and Miss Jones« (1941) mit Jean Arthur und Robert Cummings in den Hauptrollen gespielt. Am 7. September schreibt Else Lasker-Schüler an Samuel Wassermann: »Donnerst: Cinema? 7 Uhr Orion? Ich lade ein.« (KA, Bd. 11. S. 166.) Ebenfalls am 7. September an Ernst Simon: »Der Kaiser von Theben mag im Grunde keine Witzchen. Aber gehen Sie mal ins Cinema: Orion dort wird ein Film gespielt – unerhört an Fröhlichkeit. So erfrischt man sich mal!« (S. 168.)

3. Dezember 1942 (Donnerstag) • Im Kino Orion wird der amerikanische Film »Underground« (1941) über den antifaschistischen Widerstand in Berlin gezeigt. Zu den Darstellern gehörte Erwin Kalser, der bei der Uraufführung von »Arthur Aronymus und seine Väter« in Zürich den Landesrabbiner Uriel gespielt hatte. Franz Goldstein besprach den Film in der »Palestine Post«. Er charakterisiert »Underground« als »a vast improvement on all previous American anti-Nazi films. It is the story of the nameless heroes who fight the Third Reich underground. We follow breathlessly the story of the brave men of the Freedom Radio who hand on the task from one to another, despite all the brutalities of the Brown-shirts. / The film is brilliantly acted by Jeffrey Lynn, Karen Verne, Mona Maris and Philip Dorn, himself a refugee from Nazi Germany. Many of the other actors are also emigrants, formerly well known actors on the German stage, including Ilka Gruening, who plays the mother, Erwin Kalser (the father) and many others.« (Frango: At the Cinema. In: The Palestine Post [Jerusalem]. Jg. 17 [18], Nr. 5042 vom 3. Dezember 1942. S. 2.) Am 2. Dezember schreibt Else Lasker-Schüler an Samuel Wassermann: »Morgen Donnerstag um 6,45 unerhörter Film soll spielen.« (KA, Bd. 11. S. 187.)

23. Dezember 1942 (Mittwoch) • Else Lasker-Schüler besucht wahrscheinlich eine Vorstellung des ägyptischen Films »College Girl« (»Leila, the Schoolgirl«) mit der Sängerin Laila Mourad. Der Film wird im Kino Orion gezeigt. Am selben Tag schreibt sie an Samuel Wassermann: »Heut geh ich um ¼ vor 3 Uhr Kino, den berühmten Film sehen.« (KA, Bd. 11. S. 193.)

30. Januar 1943 (Samstag) • An Olga Alexander: »Wenn Sie können, dann wollen wir uns lieber am Montag 1. II schon um 1 Uhr bei Färberow treffen? Innen!! Am Abend beginnt mir ein schmerzlicher Gedenk-tag schon. / Jedenfalls!! ich bin dort. Können Sie nicht 1 Uhr –, bin auch ½ 3 Uhr dort, aber ich kann nicht ins Cinema gehen.« (KA, Bd. 11. S. 202.) Der 2. Februar war der Todestag von Paul Carl Schüler, dem jung gestorbenen Lieblingsbruder von Else Lasker-Schüler. Der jüdische Tag dauert von Sonnenuntergang (des Vorabends) bis Sonnenuntergang.

11. März 1943 (Donnerstag) • Else Lasker-Schüler schickt Ernst Simon den Entwurf eines Briefes an Emmy Göring. Darin heißt es: »Ich bitte flehentlich aus dem Lande heiliger Himmel, die feine, begabte Künstlerin, die ich vor Jahren in Berlin spielen sah, zuletzt vor vier Jahren ½ in Zürich in einem Cinema, Kleineddas Vater zu bewegen gegen die entsetzlichen Verfolgungen meines armen geplagten Volkes zu wirken.« (KA, Bd. 11. S. 215 f.)

11. April 1943 (Sonntag) • Else Lasker-Schüler besucht wahrscheinlich eine Vorstellung des britischen Films »The Thief of Baghdad« (1940) mit dem Berliner Schauspieler Conrad Veidt. Der Film wird im Kino Orion gezeigt. Am selben Tag schreibt sie an Friedrich Sally und Sina Grosshut: »Heut Abend geh ich ins Cinema« (KA, Bd. 11. S. 225).

6. Mai 1943 (Donnerstag) • Else Lasker-Schüler berichtet Ernst Simon, daß Me’ira Weidenfeld, die Tochter ihrer Zimmerwirtin Leokardia Weidenfeld, sie nicht länger ins Kino begleiten darf: »Die kleine 15jährige Myrra der Frau lud ich manchmal ins Cinema ein, sie durfte plötzlich nicht mehr mit mir gehen.« (KA, Bd. 11. S. 233.)

Vielleicht 2. Maihälfte 1943 • An Ernst Simon: »Gestern war ich Cinema mit Krakauers.« (KA, Bd. 11. S. 242.)

13. Juni 1943 (Sonntag) • Besuch des Kinos Tel-Or. Gespielt wird »The Way of All Flesh« (1940) mit Akim Tamiroff. Am 14. Juni schreibt Else Lasker-Schüler an Ernst Simon: »Gestern sah ich im Cinema: Orah? (neben Arbeiterküche) Beginn 7 Uhr Platz 40 Millim (vor der Bühne) Stalin, Churchill, und Mollotov und russ. Botschafter. Direkt unerhört interessant.« (KA, Bd. 11. S. 246 f.) Mit »Orah« ist das Jerusalemer Kino Tel-Or gemeint. Vor dem Film wurde eine Wochenschau gezeigt. Else Lasker-Schüler erwähnt diesen Kinobesuch ebenfalls in ihrem Brief an Mordec(h)ai Ardon vom 14. Juni: »Enorm großartig. Auch die russischen Soldaten wie aus Eisen.« (S. 247.)

14. Juni 1943 (Montag) • Im Kino Zion wird »Remember the Day« (1941) mit Claudette Colbert gespielt. Am selben Tag schreibt Else Lasker-Schüler an Mordec(h)ai Ardon: »Sollen wir 4 Kinder (4 Jungens) heute Cinema Zion gehen. Zu sehen großartig: Zusammensein Stalin, Churchill und russischer Botschafter und Molotov.« (KA, Bd. 11. S. 247.) Vor dem Film wurde eine Wochenschau gezeigt.

17. Juni 1943 (Donnerstag) • Im Kino Orion wird »In This Our Life« (1942) mit Bette Davis gespielt, im Kino Zion »Remember the Day« (1941) mit Claudette Colbert. Am 16. Juni schreibt Else Lasker-Schüler an Samuel Wassermann: »Bitte kommt doch morgen: Donnerstag – da 22. Dienstag: Kraal / Vielleicht gehen wir Cinema Orion? Wenn auch letzte Vorstellung? Unerhörte Wochenschau soll sein: Stalin, Churchill etc. / Jedenfalls steh ich um ½ 9 vor Kino: Zion morgen« (KA, Bd. 11. S. 249).

18. Juni 1943 (Freitag) • Im Kino Zion wird »Remember the Day« in einer Nachmittagsvorstellung gezeigt (freitags fanden keine Abendvorstellungen statt). Am 20. Juni schreibt Else Lasker-Schüler an Samuel Wassermann: »Sind Sie mit Absicht nicht Cinema Zion vorgestern gekommen? Ich wartete halbe Stunde.« (KA, Bd. 11. S. 251.)

20. Juni 1943 (Sonntag) • Im Kino Orion wird »All Through the Night« (1941) mit Humphrey Bogart gespielt. Am selben Tag schreibt Else Lasker-Schüler an Samuel Wassermann: »[…] sollen wir heute Abend Kino Orion 7 Uhr erste Vorstellung gehen? Ich warte bei mir bis ½ 7 Uhr.« (KA, Bd. 11. S. 251.)

14. Juli 1943 (Mittwoch) • Else Lasker-Schüler lädt Anny Moller, die in Haifa lebt, zu einem Besuch in Jerusalem ein: »Wir werden dann den Tag zusammen bleiben, abends ins Cinema gehen – Hand in Hand und dort jeder von uns eine Bonbonstange in der Hand.« (KA, Bd. 11. S. 263.)

5. August 1943 (Donnerstag) • An Moritz (Moshe) Spitzer: »Ich ging nicht ins Kino, doch zum Arzt, da ich nicht gehen konnte nur schwankte. Nun besser.« (KA, Bd. 11. S. 271.)

5. August 1943 (Donnerstag) • An Mordec(h)ai Ardon nach einem Kinobesuch zusammen mit dessen Frau Miriam: »Ich war mit Ihrer lieben Gymnastiastin Maria-Miriam gestern im herrlichen Film.« (KA, Bd. 11. S. 271.) Am 4. August spielten die Jerusalemer Kinos in den Abendvorstellungen die Filme »Rio Rita« (1942, Regie: S. Sylvan Simon) (Eden), »Lydia« (1941, Regie: Julien Duvivier) (Orion), »Jack Ahoy« (1934, Regie: Walter Forde) (Regent), »Babes in Arms« (1939, Regie: Busby Berkeley) (Rex), »Sergeant York« (1941, Regie: Howard Hawks) (Tel-Or) und »This Above All« (1942, Regie: Anatole Litvak) (Zion).

29. August 1943 (Sonntag) • Im Kino Zion wird der amerikanische Spielfilm »The Pied Piper« (1942) von Irving Pichel gespielt. Im Brief an Ernst Simon vom selben Tag berichtet Else Lasker-Schüler, daß sie Werner Kraft ins Kino eingeladen habe: »Eben war der Werner da, betrübt bis Übermaß. Ich lud ihn ein Cinema – herrlich englisch Stück, enorme Regie – unerklärlich gespielt: Old England. Er sei nicht in Stimmung.« (KA, Bd. 11. S. 278.) In seiner Besprechung des Films schreibt Franz Goldstein: »This very touching story of an old man who takes a collection of miscellaneous children across France to England after the German occupation is exceedingly well acted, and the story ist so simple and so exciting as to need no tricks of production and photography to enhance it.« (Frango: At the Cinema. In: The Palestine Post [Jerusalem]. Jg. 18, Nr. 5270 vom 30. August 1943. S. 2.)

16. September 1943 (Donnerstag) • Zusammen mit Werner Kraft besucht Else Lasker-Schüler im Kino Orion eine Vorstellung des amerikanischen Spielfilms »Eagle Squadron« (1942) von Arthur Lubin. Am Tag darauf schreibt sie an Kurt Wilhelm: »[…] ich war gestern sogar im Cinema Zion Orion mit Werner Kraft. sah zum ersten Mal wie die Britten den Krieg führen.« (KA, Bd. 11. S. 282.)

24. oder 25. Oktober 1943 (Sonntag oder Montag) • Else Lasker-Schüler beklagt sich bei Ernst Simon, daß sie von ihrer Zimmerwirtin Leokardia Weidenfeld schlecht behandelt werde. Sie bittet ihn, zu »erzählen wie die – – – die Die Dichterin der – Filmwelt behandelt wird« (KA, Bd. 11. S. 297 f.).

10. November 1943 (Mittwoch) • Im Kino Orion wird in einer Nachmittagsvorstellung der Film »Virginia« (1941) von Edward H. Griffith gezeigt. Kurz vor dem 10. November fragt Else Lasker-Schüler bei Friedrich Andreas Meyer an, ob er sich mit ihr und mit Olga Alexander im Kino treffen wolle: »Wir wollen zusammen: Mittwoch, wir drei in den Film gehen, in den großartigen: Orion, der dort nun, von 3 Uhr mittags an gespielt wird.« (KA, Bd. 11. S. 304.) Da Olga Alexander erkrankte und Else Lasker-Schüler nach Tel Aviv fuhr, fiel das Treffen aus.

22. (?) November 1943 (Montag [?]) • An Friedrich Andreas Meyer: »Wenn Du um 6 Uhr Mittwoch bei Färberow sein kannst, wäre gut. Da ich so gern mal wieder ins Kino möchte.« (KA, Bd. 11. S. 307.) Am 24. November spielten die Jerusalemer Kinos in den Abendvorstellungen die Filme »Crossroads« (1942, Regie: Jack Conway) (Eden), »The Fleet’s In« (1942, Regie: Victor Schertzinger) (Orion), »So Ends Our Night« (1941, Regie: John Cromwell) (Rex) und »Song of the Islands« (1942, Regie: Walter Lang) (Zion).

Undatierte Briefe, geschrieben in Jerusalem während der letzten Lebensjahre: